Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutwillige Herbeiführung der eigenen Bedürftigkeit bei unterlassener Suchtbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Der Antragsteller hat in Kenntnis seiner Alkoholkrankheit über längere Zeit hinweg eine zumutbare und erfolgversprechende Suchtbehandlung unterlassen, weshalb ihm auch unterhaltsrechtlich der Vorwurf einer ebenso unvernünftigen wie leichtfertigen und damit mutwilligen Herbeiführung seiner eigenen Bedürftigkeit zu machen ist.
Normenkette
BGB §§ 1361, 1579
Verfahrensgang
AG Bitterfeld (Beschluss vom 11.11.2005; Aktenzeichen 8 F 272/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Bitterfeld vom 11.11.2005 - 8 F 272/05, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch sonst gem. § 569 ZPO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Bitterfeld vom 11. November letzten Jahres (Bl. 56 d.A.) ist in der Sache unbegründet.
Die beabsichtigte Klage des Antragstellers gegen seine Ehefrau auf Zahlung von Trennungsunterhalt bietet, wie im Ergebnis zu Recht vom AG entschieden, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es, in objektiver Hinsicht, nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedurft hätte.
Nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Ehegatte, falls die Eheleute getrennt leben, von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Danach stünde dem Antragsteller allenfalls, ohne Hinzurechnung fiktiver Einkünfte seinerseits, ggü. der Antragsgegnerin ein Unterhaltsanspruch von 97 EUR monatlich zu (1), der indes gem. § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 3 BGB wegen mutwilliger Herbeiführung der Bedürftigkeit entfällt (2).
1. Die Antragsgegnerin hat unter Vorlage entsprechender Belege ihre Einkommensverhältnisse detailliert in dem Schriftsatz vom 27.9.2005 (Bl. 15-17 d.A.) dargelegt und ist zu einem bereinigten Nettoeinkommen i.H.v. rund 1.012 EUR gelangt, welcher Berechnung der Antragsteller in seiner Replik vom 7.10.2005 (S. 3-4 = Bl. 36-37 d.A.) keine rechtlich erheblichen Einwendungen entgegengesetzt hat.
Die schlichte Behauptung, dem monatlichen Nettoeinkommen der Antragsgegnerin von 1.361 EUR sei eine anteilige Steuererstattung von mindestens 50 EUR hinzurechnen, erweist sich angesichts des vorgelegten, keinen Erstattungsbetrag aufweisenden Einkommensteuerbescheids der Antragsgegnerin für 2004 (Bl. 47-50 d.A.) als offensichtlich unzutreffend. Nicht in Abrede gestellt und vom Einkommen der Antragsgegnerin als angemessene, bereits ehebedingte Verbindlichkeiten ein Abzug zu bringen sind die geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen i.H.v. 150 EUR und ein Betrag von 26,59 EUR für vermögenswirksame Leistungen. Demnach ergibt sich unter Berücksichtigung einer Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen und eines Erwerbstätigenbonus von wenigstens 10 % ein bereinigtes Nettoeinkommen der Antragsgegnerin von rund 1.012 EUR, dem ein angemessener Selbstbehalt von 915 EUR nach Nr. 21.4 der hiesigen Unterhaltsleitlinien ab Mitte letzten Jahres gegenübersteht.
2. Für Unterhaltszwecke verbliebe mithin maximal ein Betrag von 97 EUR, den der Antragsteller indes wegen mutwilliger, das heißt unvernünftiger und leichtfertiger Herbeiführung zumindest seiner diesbezüglichen Bedürftigkeit nach § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 3 BGB nicht von seiner getrennt lebenden Ehefrau verlangen kann.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben seit dem 30.9.2004 arbeitslos - die Trennung der Parteien erfolgte wenige Tage später - und hat seit Ende 2003 eine akute Alkoholkrankheit (Bl. 62 d.A.). Erwerbsbemühungen hat er seit Eintritt der Arbeitslosigkeit trotz des Bezugs gerade eine Erwerbsfähigkeit voraussetzender Sozialleistungen offensichtlich nicht entfaltet. Anfang November 2004 ist er zum ersten Mal zur Suchtberatung gegangen (Bl. 72 d.A.), und erst am 8.8.2005 hat er eine ihm bereits acht Tage später bewilligte dreimonatige Langzeittherapie als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Bl. 80 d.A.) beantragt. Dazwischen liegen diverse stationäre Aufenthalte einzig zum Zwecke der Entgiftung (Bl. 72, Bl. 62 u. 63 d.A.).
Der Antragsteller hat demnach in Kenntnis seiner Alkoholkrankheit über längere Zeit hinweg eine zumutbare und erfolgversprechende Suchtbehandlung unterlassen, weshalb ihm auch unterhaltsrechtlich der Vorwurf einer ebenso unvernünftigen wie leichtfertigen und damit mutwilligen Herbeiführung seiner eigenen Bedürftigkeit zu machen ist. Auch der Arbeitsplatzverlust Ende September 2004, über dessen Gründe nichts Näheres mitgeteilt wird, scheint auf die schon seinerzeit manifesten, aber nicht behandelten Alkoholprobleme des Antragstellers zurückzuführen sein.
II. Die Entschei...