Leitsatz (amtlich)
Bei einem bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntnis kann die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung versagt werden.
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Beschluss vom 15.07.2013; Aktenzeichen 4a F 500/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Wittenberg vom 15.7.2013 - 4a F 500/13 AB, abgeändert und der Antragstellerin für die Rechtsverfolgung in der ersten Instanz Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. zu ihrer Vertretung bewilligt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die Mutter des am 30.6.2012 geborenen Kindes M. R.. Der Antragsgegner hat mit Zustimmung der Antragstellerin die Vaterschaft für das Kind durch Urkunde des Jugendamtes Wittenberg vom 17.4.2012 anerkannt. Gleichzeitig gaben die Beteiligten eine Erklärung zur Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts für das minderjährige Kind ab.
Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes ist. Sie behauptet, mit dem Antragsgegner nicht geschlechtlich während der Empfängniszeit verkehrt zu haben. Vielmehr sei das Kind durch den geschiedenen Ehemann der Antragstellerin während der noch bestehenden Ehe gezeugt worden, die allerdings zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes bereits geschieden war.
Das AG Wittenberg hat mit Beschluss vom 15.7.2013 (Leseabschrift Bl. 7 - 8 d.A.) der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz versagt und zur Begründung ausgeführt, ihrem Antrag habe nicht entsprochen werden können, weil sie selbst durch die Beurkundung einer unrichtigen Erklärung die Ursache für dieses Verfahren gesetzt habe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 9.8.2013 (Bl. 9 f. d.A.), der das AG nicht abgeholfen hat.
II. Die gem. § 76 Abs. 1 und 2 FamFG i.V.m. den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
Die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen ebenso vor wie die gem. § 78 Abs. 2 FamFG notwendige Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.
Die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es, in objektiver Hinsicht, für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO bedarf.
Denn die Antragstellerin trägt Umstände vor, die an der Vaterschaft des Antragsgegners ernsthaft zweifeln lassen. Die zweijährige Anfechtungsfrist, die gem. § 1600b Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Wirksamkeit der Anerkennung beginnt, ist gewahrt.
Bei einem bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntnis kann die Vaterschaft gemäß den §§ 1600 Abs. 1 Nr. 1, 1599, 1592 Nr. 2 BGB angefochten werden. Das Anfechtungsrecht ist in diesen Fällen nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (OLG Köln, Beschl. v. 11.5.2006 - 14 F 49/06; OLG Rostock, Beschl. v. 19.1.2007 - 11 F 9/07; OLG Naumburg, Beschl. v. 9.1.2008 - 3 WF 3/08, jeweils zitiert nach juris).
Entgegen der Auffassung des AG kann die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung versagt werden. Insoweit ergeben sich Parallelen zum Fall der Auflösung einer Scheinehe. Zwar ist die Eingehung der Scheinehe als rechtsmissbräuchlich anzusehen, nicht aber die Auflösung der Ehe auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg. Daraus ergibt sich zugleich, dass ein Scheidungsbegehren in diesen Fällen nicht als mutwillig angesehen werden kann. Anderenfalls würde die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt als die nicht bedürftige. Entsprechende Erwägungen gelten auch für das vorliegende Verfahren. Auch hier mag zwar die Vaterschaftsanerkennung und insbesondere die in Kenntnis der Nichtvaterschaft des Antragsgegners erteilte Zustimmung der Antragstellerin zu der Anerkennung rechtsmissbräuchlich gewesen sein. Dies gilt aber nicht für die Beseitigung der dadurch eingetretenen Rechtsfolgen auf dem gesetzlich allein möglichen Weg der Vaterschaftsanfechtung. Wenn danach in solchen Fällen einer nicht bedürftigen Partei diese Möglichkeit eröffnet ist, kann sie einer bedürftigen Partei nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung verweigert werden (vgl. OLG Köln, OLG Rostock, OLG Naumburg, jeweils a.a.O.).
III. Bei der erfolgreichen Beschwerde gegen eine der Beteiligten nachteilige Entscheidung zur Verfahrenskostenhilfe fällt gem. Nr. 1912 Satz 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG keine Gerichtsgebühr an.
Außergerichtliche Kosten werden, wie sich aus § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO ergibt, im Beschwerdeverfahren zur Verfahrenskostenhilfe generell nicht erstattet.
Fundstellen