Leitsatz (amtlich)
Eine Verwirkung kann nur angenommen werden, wenn sich die Geltendmachung von Rückständen unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung als unzulässig darstellt (BGH FamRZ 1999, 1422).
Normenkette
BGB § 1573
Verfahrensgang
AG Salzwedel (Urteil vom 29.04.2009; Aktenzeichen 50 F 95/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29.4.2009 verkündete Urteil des AG -Familiengerichts- Salzwedel - Geschäftszeichen 50 F 95/08 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der Vater des seit dem 25.12.2006 volljährigen Beklagten.
Er war diesem gegenüber in der Zeit der Minderjährigkeit unterhaltsverpflichtet.
Nach der Urkunde des Bezirksamtes B. -Jugendamt- vom 19.1.1993 (Urkundsnummer 114/1993) hatte er monatlich 248 DM (126,80 EUR) und nach Abänderung des Unterhalts durch Urkunde des Landkreises S. vom 15.7.2004 monatlich 307 EUR (121 % des Regelbetrages abzgl. anrechenbares Kindergeld von 37 EUR) zu zahlen. Unter dem 15.2.2005 erzielten die Parteien dahin Einigkeit, dass der Kläger in Abänderung der letztgenannten Jugendamtsurkunde ab 1.10.2004 nur noch 284 EUR (100 % des Regelbetrages) zu zahlen hat.
Der Beklagte betreibt mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 9.7.2007 gegen den Kläger wegen Unterhaltsrückständen ab Januar 1993 i.H.v. 5.517,01 EUR die Zwangsvollstreckung.
Der Rückstandsbetrag setzt sich zusammen aus 1.335,80 EUR (2.612,60 DM) Rückstand bis einschließlich Dezember 2001, 2.778 EUR Rückstand bis April 2005 und 1.403,21 EUR Rückstand einschließlich Verzugszinsen bis Mai 2007. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 9.7.2007 (Bl. 110 f. II. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger macht die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend.
Er hat behauptet, dem Beklagten stünde der Unterhalt nicht mehr zu. Er habe auf die Unterhaltsforderungen des Beklagten in der Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2006 i.H.v. 15.276,20 EUR insgesamt 10.735 EUR gezahlt. Rechnerisch ergäbe sich zwar eine Differenz i.H.v. 4.541,20 EUR. Darauf habe der Beklagte aber keinen Anspruch, weil er diesen durch jahrelange Nichtgeltendmachung verwirkt habe. Wegen der Nichtgeltendmachung habe er sich darauf einstellen können, dass er vom Beklagten nicht mehr in Anspruch genommen werde.
Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus den Jugendamtsurkunden vom 19.1.1993 - Beurk.-Reg. Nr. 113/93 - vor dem Bezirksamt B. sowie vom 15.7.2004 -Urk.-Reg. Nr. B 367/2004 - vor dem Landkreis S. für unzulässig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, ihm stehe der Rückstandsbetrag zu.
Der Verwirkungseinwand des Klägers gehe fehl. Er habe zu keinem Zeitpunkt auf seinen Unterhalt, auch nicht auf Rückstände, verzichtet. Vielmehr habe er dem Kläger wiederholt und nachvollziehbar auch die rückständigen Beträge mitgeteilt und verlangt. Mangels Zahlung habe er dann die Zwangsvollstreckung eingeleitet.
Das AG hat durch das angefochtene Urteil die Zwangsvollstreckung aus den beschriebenen Jugendamtsurkunden für unzulässig erklärt, soweit der Kläger im Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2006 10.735 EUR gezahlt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen das Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien.
Der Kläger verfolgt sein ursprüngliches Klageziel, die Zwangsvollstreckung aus den beiden Jugendamtsurkunden insgesamt für unzulässig zu erklären weiter; der Beklagte beantragt nach wie vor Klageabweisung.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug.
Er ist der Meinung, das AG habe fehlerhaft nur über die von ihm gezahlten Unterhaltsbeträge im Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2006 entschieden, nicht aber darüber, ob hinsichtlich des Betrages i.H.v. 5.517,01 EUR die Zwangsvollstreckung unzulässig sei. In der Rückstandsberechnung vom 27.4.2005 sei ein Rückstandsbetrag nur i.H.v. rechnerisch 5.449,60 EUR verlangt für die Zeit von Januar 1993 bis April 2005, und zwar 1.335,80 EUR bis Dezember 2001 und 4.113,80 EUR bis April 2005. Dabei werde in der Berechnung sogar auf eine Überzahlung i.H.v. 2.778 EUR hingewiesen. In einem weiteren Schreiben werde dann aber die Summe von 5.517,01 EUR behauptet. Schon deshalb sei der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht nachvollziehbar. Aus seiner eingereichten Zahlungsübersicht, Bl. 101 I, ergebe sich für die Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2006 allenfalls ein Rückstand i.H.v. 4.541,20 EUR.
Darauf komme es aber nicht an, weil dem Beklagten wegen Verwirkung keinerlei Forderungen mehr zustünden. Das Jugendamt als Beistand habe ihn weder auf bestehende Rückstände hingewiesen noch Forderungen danach erhoben. Er habe über keine Hinweise auf rückständige Unterhaltsforderungen verfügt. Auch die vormalige Rechtsanwältin R. des Bek...