Entscheidungsstichwort (Thema)
Brückenbauwerke
Leitsatz (amtlich)
1. Verzögert sich der Baubeginn durch ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, so ist die Leistungszeit in entsprechender Anwendung von § 6 Nr. 1 VOB/B und die Vergütung in entsprechender Anwendung von § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen. Wenn der öffentliche Auftraggeber eine Vertragsanpassung in der einen oder anderen Hinsicht schon dem Grunde nach ablehnt, steht dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
2. Äußert ein Auftragnehmer technisch begründete Bedenken gegen die Umsetzbarkeit der Bauausführungsplanung des Auftraggebers, so rechtfertigt dies grundsätzlich eine Kündigung aus wichtigem Grunde, insbesondere wegen eines Vertrauensverlustes, nicht.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 27.03.2008; Aktenzeichen 11 O 1364/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.3.2008 verkündete Grundurteil der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt entgangenen Gewinn nach Kündigung zweier Werkverträge über den Bau von Brücken.
Die Beklagten hatten im Rahmen des Neubaus eines Teilabschnitts der Bundesstraße ... u.a. die Aufträge zur Errichtung zweier Brückenbauwerke im offenen Verfahren nach VOB/A europaweit ausgeschrieben (Bw 64A - Brücke über die S. - Los 1 sowie Bw 64 1A - Flutbrücke 3 - Los 2). Als Zuschlags- und Bindefrist war in den Ausschreibungsunterlagen der 9.11.2005 angegeben worden. Baubeginn sollte der 31.1.2006 sein, während als Bauende der 15.12.2006 ausgeschrieben worden war. Aufgrund eines Vergabenachprüfungsverfahrens, das ein Mitbewerber der Klägerin bei der zuständigen Vergabekammer angestrebt hatte, konnte der Zuschlag für beide Lose an die Klägerin erst mit Schreiben vom 20.3.2006 erteilt werden.
Noch am 22.3.2006 wies die Klägerin auf die Änderung der Ausführungsfristen hin und bat die Beklagten darum, ihre verzögerungsbedingten Mehrvergütungsansprüche dem Grunde nach anzuerkennen. Dieser Bitte kamen die Beklagten jedoch nicht nach, auch nicht, nachdem die Klägerin unter dem 30.3.2006 einen angepassten, vorläufigen Bauablaufplan vorlegte, in dem die eingetretene Bauzeitverschiebung berücksichtigt wurde.
Mit Schreiben vom 9.8.2006 erklärten die Beklagten ggü. der Klägerin:
"Wir setzen Sie hiermit gem. § 5 VOB/B in Verzug zum Bauablauf der Bauwerke 64A und 64.1A."
Eine Fristsetzung wurde ausdrücklich vorbehalten. Eine Ablehnungsandrohung enthielt das Schreiben nicht.
In einer Baubesprechung vom 16.8.2006 wiesen die Vertreter der Klägerin darauf hin, dass sie den Entwurf zum Bauwerk 64A (S. brücke) für nicht ausführbar hielten. Der in der Ausschreibung vorgesehene 500 t-Kran sei zur Verlegung der Stahlverbundhalbfertigteile nicht ausreichend.
In einem Gespräch vom 1.9.2006 forderte ein Niederlassungsleiter der Beklagten die Klägerseite auf, bis zum 8.9.2006 ein Aufholkonzept vorzulegen und gegebenenfalls nochmals abschließend zu begründen, weshalb aus ihrer Sicht der Amtsentwurf nicht umsetzbar sei. Hierzu wurde auf Seiten der Beklagten folgender interner Vermerk gefertigt:
"Der AG bekräftigte bereits die im ersten Gespräch getroffenen Feststellungen auch ggü. dem Geschäftsführer des AN. Zum Abwenden des Entzugs des Auftrags hat der AN bis Freitag, den 8.9.2006 beim AG schriftlich einzureichen:
1. Aufholkonzeption für eingetretenen Bauverzug von ca. 5 Wochen mit Frist zum 31.12.2006 unter Umsetzung des Amtsentwurfs,
2. gegebenenfalls nochmals abschließende Begründung des AN, warum Amtsentwurf aus seiner Sicht nicht umsetzbar ist."
Unter dem 7.9.2006 übersandte die Klägerin ein Schreiben, in dem sie ihre Bedenken gegen die Ausführbarkeit des Entwurfs der Beklagten ausdrücklich aufgab und als Anlage zwei neue Bauablaufpläne beifügte (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 11 und K 12 verwiesen).
Mit Schreiben vom 18.9.2006 kündigten die Beklagten den Bauvertrag zum 19.9.2006 nach § 8 Nr. 3 VOB/B mit der Begründung, die Erfüllung der gesetzten Aufholfrist zum 31.12.2006 sei nicht mehr realisierbar. Außerdem wurde die Kündigung mit einer mangelnden Qualität der Ausführungsplanung und der Bauausführung begründet. Mit Schreiben vom 20.9.2006 wies die Klägerin die Kündigung als unberechtigt zurück. Nachdem die Beklagten an der ausgesprochenen Kündigung der Verträge festhielten, erfolgte ein gemeinsames Aufmaß der erbrachten Leistungen, die auch abgenommen wurden. Unter dem 21.12.2006 legte die Klägerin Schlussrechnung, aufgeteilt nach der Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen. Gegenstand der vorliegenden Klage ist ausschließlich eine Vergütung gem. § 8 Nr. 1 VOB/B für nicht erbrach...