Leitsatz (amtlich)
1. § 24 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist restriktiv auszulegen und umfasst nicht das Sammeln von Rezepten über rezept- und apothekenfreie Medizinprodukte.
2. Die Vorteile des sog. „verkürzten Versorgungsweges” sind hinreichende Gründe für die Bevorzugung bestimmter Anbieter gesundheitlicher Leistungen (anschließend an BGH zuletzt GRUR 2002, 271 ff. = WRP 2002, 211 ff.).
3. Dieselben Erwägungen verbieten es – unbeschadet des Vorliegens sonstiger tatbestandlicher Voraussetzungen – dasselbe Verhalten als Verstoß gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) anzusehen.
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 06.07.2001; Aktenzeichen 3 O 45/01) |
Nachgehend
Tenor
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 25.000 Euro festgesetzt. Auf diesen Betrag wird die Streitwertfestsetzung des LG im angefochtenen Urteil von Amts wegen abgeändert.
Tatbestand
Der Kläger, Inhaber einer Apotheke im Kaufland in W., macht gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch geltend.
Der Beklagte betreibt die einzige diabetologische Schwerpunktpraxis im Stadtgebiet von W.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte unterhalte in seiner Praxis ein Depot an Diabetikerbedarf, vornehmlich von Zuckerteststreifen, wobei er diese Artikel von dem Diabetikerversandhandel R. GmbH & Co. KG aus D. beziehe. Patienten erhielten von ihm verordnete Zuckerteststreifen sogleich in der Praxis verabreicht. Die Rezepte würden alsdann der Firma R. GmbH & Co. KG durch den Beklagten unmittelbar zugeleitet, die gegenüber den Kassen abrechne oder dem Patienten eine Rechnung stelle. Die Patienten unterschrieben auf der Rückseite des Rezeptes einen Stempel mit folgendem Text: „Aus wirtschaftlichen Gründen möchte ich die Artikel hier vor Ort erhalten. Das Personal der medizinischen Einrichtung nahm keinen Einfluss auf meine Entscheidung. Alternative Bezugsquellen sind mir bekannt. Artikel erhalten, Datum, Unterschrift.”
Im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Erklärung durch den Patienten sei das Rezept vom Beklagten noch nicht unterzeichnet. Es verbleibe, ohne dass der Patient die Möglichkeit der Wahl der Bezugsquelle habe, in den Praxisräumen des Beklagten. Hinreichende Aufklärung über die Wahlmöglichkeit erfolge auch nicht.
Die beschriebene Vorgehensweise stelle das Vertriebssystem der Diabetikerversandhandelsfirma dar, in dem der Beklagte wie ein Einzelhändler, bzw. Kommissionär auftrete.
Die Preise der Zuckerteststreifen lägen nicht, bzw. nicht wesentlich unter den Abgabepreisen des Klägers. In Einzelfällen lägen seine, des Klägers, Preise sogar noch darunter. Der Beklagte habe weder Kenntnis von den marktüblichen Preisen noch stelle er Preisvergleiche an.
Durch die Vorgehensweise des Beklagten seien der Kläger, ebenso wie die anderen Apotheker im Stadtgebiet von W., praktisch vom Abgabemarkt für Zuckerteststreifen ausgeschlossen worden, was er im Einzelnen näher ausgeführt hat.
Mit seiner Vorgehensweise verstoße der Beklagte gegen eine Reihe von Vorschriften des Apothekengesetzes, ebenso wie der ärztlichen Berufsordnung des Landes Sachsen-Anhalt und gegen das Wettbewerbsrecht.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 2 Jahren oder Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Leistung:
1. Rezepte mit Diabetesteststreifen seiner Patienten in seiner Praxis entgegenzunehmen oder zu sammeln und diese zur ausschließenden Einlösung bei der R. GmbH & Co. KG, D. zu verwenden,
2. Diabetesteststreifen in seiner Praxis an Patienten abzugeben, soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die vom Kläger vorgetragene Praxis bestritten, konkret hat er bestritten, dass er im Monat November „mindestens bei 7 Patienten” Diabetikerbedarf den Patienten ausgehändigt habe, die Rezepte von den Patienten wieder entgegengenommen und in seiner Praxis aufbewahrt habe.
Weiterhin hat er bestritten, dass im Zeitpunkt der Unterzeichnung durch den Patienten das Rezept von ihm noch nicht unterzeichnet sei und ohne dass der Patient die Möglichkeit der Wahl der Bezugsquelle habe, in seinen Praxisräumen verbleibe.
Im Übrigen verstoße aber das ihm vorgeworfene Tun weder gegen Rechtsvorschriften noch sei es wettbewerbswidrig. Schließlich handele es sich bei den in Rede stehenden Artikeln um nicht apothekenpflichtige medizinische Produkte. Die Parteien würden auch darüber informiert, dass ihr Rezept an die Firma R. GmbH & Co. KG weitergeleitet werde.
Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis.
Auf die behauptete Verletzung ärztlicher Berufspflichten könne sich der Kläger nicht berufen.
Im Übrigen liege auch ein hinreichend sachlich gebotener Grund für die Verw...