Entscheidungsstichwort (Thema)

Umspannwerk

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Abgrenzung, ob die Einholung von Analysen zum Schadstoffgehalt des Abbruchmaterials, welche Einfluss auf die Möglichkeiten der Verwertung bzw. Entsorgung hat, eine ursprünglich vom Auftragnehmer geschuldete Leistung oder eine zusätzliche Leistung ist, kommt es auf den Erklärungswert der Vertragsunterlagen an. In einem VOB-Bauvertrag ohne individuelle abweichende Regelungen obliegt es dem Auftraggeber, u.a. die Art, Zusammensetzung und Menge der aus seinem Bereich zu entsorgenden Stoffe zu bestimmen und zu beschreiben; er muss auch die Art der Verwertung oder bei Abfall die Entsorgungsanlage vorgeben. Überträgt er diese Aufgabe während der Ausführung dem Auftragnehmer, muss er diese Leistung zusätzlich vergüten.

2. Zur bauablaufbezogenen Darstellung von Baubehinderungstatbeständen, welche geeignet sind, Mehrvergütungsansprüche wegen einer Bauzeitverlängerung zu rechtfertigen.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen 1 O 2/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittel und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das am 25. April 2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 92.710,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23. Februar 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte ihrerseits durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

und beschlossen:

Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 27. Juni 2018 auf eine Gebührenstufe bis zu 260.000,00 EUR und ab dem 28. Juni 2018 auf eine Gebührenstufe bis zu 230.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrages über Rohbauarbeiten in ... im Zeitraum 2010/2011.

Die Beklagte führte im Jahr 2010 ein Bauvorhaben durch, um ein ehemaliges Umspannwerk im Stadtzentrum von ... in ein Einkaufszentrum umzubauen. Die Parteien schlossen auf der Grundlage des Angebots der Klägerin vom 13.08.2010 für einen Einheitspreisvertrag über Rohbauleistungen in Höhe von 266.927,51 EUR netto (317.643,74 EUR brutto) und des Ergebnisses ihrer Vertragsverhandlungen am 24.08.2010, in denen die Klägerin im Hinblick auf Konkurrenzangebote einen Nachlass auf Abbrucharbeiten in Höhe von ca. 20.000,00 EUR netto gewährte (rechnerisch: 19.028,36 EUR) und die Beklagte eine Mehrvergütung für Stahlbewehrung in Höhe von 3.000,00 EUR brutto (2.521,01 EUR netto) versprach, am 27.08.2010 einen schriftlichen Bauvertrag für das o.g. Bauvorhaben mit einem Auftragsvolumen von pauschal 295.000,00 EUR brutto (247.899,15 EUR netto). Die VOB/B wurde nicht in den Bauvertrag einbezogen, es wurde aber die Geltung der VOB/C vereinbart (vgl. Ziffer 2 lit. e) des Vertrags). Weiter wurden die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Beklagten zum Gegenstand des Vertrags gemacht (Ziffer 2 lit. c) des Vertrags).

Als Ausführungsfrist wurde der Zeitraum vom 06.09.2010 bis zum 15.12.2010 vorgegeben, wobei die Arbeiten und Zwischenfristen mit der Bauleitung abgestimmt werden sollten (Ziffer 4). Nach § 8 Ziffer 2 AVB hatte der Auftragnehmer im Falle einer Verzögerung des Baubeginns aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Arbeiten binnen zehn Werktagen nach Aufforderung durch den Auftraggeber zu beginnen. Nach § 9 Ziffer 2 AVB hatte der Auftragnehmer im Falle einer Behinderung seiner Arbeiten aus Gründen, welche vom Auftraggeber bzw. jedenfalls nicht vom Auftragnehmer zu vertreten waren, Anspruch auf eine Bauzeitverlängerung, wobei sich die Dauer der Verlängerung nach der Dauer der Behinderung bemessen sollte (§ 9 Ziffer 4 AVB). Schlechtwettertage sollten als ein nicht vom Auftragnehmer zu vertretender Umstand bewertet werden. In § 13 Ziffer 1 AVB war geregelt, dass der Auftragnehmer im Falle der Überschreitung der Ausführungsfrist eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2 % der Netto-Schlussrechnungssumme pro Arbeitstag, maximal jedoch von 8,0 % verwirkt.

Tatsächlich nahm die Klägerin die Bauarbeiten am 04.10.2010 auf.

Die Beklagte erteilte der Klägerin im Laufe der Ausführung der Vertragsleistungen weiter insgesamt 7 Nachtragsaufträge auf der Grundlage von Einheitspreisen mit einem Auftragsvolumen von 86.836,49 EUR netto (103.335,42 EU...

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