Leitsatz (amtlich)
Ein Mietvertrag bestehend aus Haupturkunde und zwei Anlagen, wobei sämtliche Schriftstücke vorformulierte Regelungen enthalten, die geeignet sind, als Grundlagen für die Verträge zwischen dem Vermieter und weiteren potentiellen Vertragspartnern zu dienen, ist einheitlich ein Formularvertrag.
Als solcher wird seine Auslegung von dem Grundsatz objektiver Auslegung bestimmt. Die durch die Parteien vereinbarten Regelungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird. Während der Vertragsverhandlungen möglicherweise zutage getretene Umstände, die in der Vertragsurkunde keinen Ausdruck gefunden haben, können bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden.
Führt die objektive Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Parteien hinsichtlich der Mietzeit und des einer Partei eingeräumten Optionsrechtes in der Haupturkunde und einer Anlage widersprüchliche Regelungen getroffen haben, so wurde das Schriftformerfordernis nicht gewahrt, weil von der Schriftform nicht alle wesentlichen Vertragsbedingungen erfasst waren.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 3 O 926/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.11.2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Halle, Geschäftsnummer: 3 O 926/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien am 11.1.1996 begründete Gewerberaummietverhältnis betreffend der in E., M. 12, 13, dort im ersten Obergeschoss rechts belegenen Räume mit einer Gesamtgröße von ca. 161 qm zum 31.12.2010 beendet ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.298,04 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung der Klägerin ist gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Prozessbevollmächtigten, welche die Vertretung der Klägerin in beiden Instanzen wahrgenommen haben, waren aufgrund der ihnen durch die Klägerin erteilten Prozessvollmacht, welche sie in dem vor dem Senat am 14.5.2011 abgehaltenen Termin zur mündlichen Verhandlung auf die während des Termins erhobene Rüge der Beklagten vorgelegt haben, bevollmächtigt, die Klägerin während des Rechtsstreites zu vertreten.
Auch die Beklagte wurde während des Rechtsstreites durch die für sie handelnden Prozessbevollmächtigten wirksam vertreten. Ausweislich der zu den Akten eingereichten Vollmachtsurkunde war den Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch die I. GmbH mit Sitz in C. welche durch die Beklagte in § 3 Ziff. 6 des am 3.8.1995 errichteten Gesellschaftsvertrages mit der Führung ihrer Geschäfte beauftragt worden war, am 10.5.2011 Prozessvollmacht erteilt worden, wobei die seitens der Beklagtenvertreter seit 12.4. wahrgenommenen Prozesshandlungen genehmigt wurden.
Die Berufung ist begründet. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang.
Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszuges gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder ob die der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsrechtsstreites nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu überprüfen, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
In ihrer Berufungsbegründung hat die Klägerin nach § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Tatsachenfeststellung gebieten könnten, nicht bezeichnet. Sie hat lediglich die rechtliche Würdigung der durch das LG festgestellten Tatsachen beanstandet. Da sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen auch nicht aus dem Inhalt der Verfahrensakten ergaben, erfuhr die Tatsachengrundlage im Berufungsrechtszug keine Änderung.
Das LG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.
Zu Recht ist das LG von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Da sich die Beklagte auf die durch die Klägerin mit Schreiben vom 8.4.2010 erklärte Kündi...