Leitsatz (amtlich)
Dem Gläubiger eines materiellen Anspruches bleibt es jederzeit unbenommen, den Anspruch prozessual titulieren zu lassen. Dies gilt auch, wenn in einem notariellen Vertrag ein Anspruch begründet oder konkretisiert wird, ohne mit einer Vollstreckungsklausel versehen zu sein.
Bei einseitiger Lastenverteilung in einem Ehevertrag ist nach Treu und Glauben über die Wirksamkeit insgesamt im Rahmen der Ausübungskontrolle zu befinden.
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Beschluss vom 11.01.2006; Aktenzeichen 11 F 1346/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG - FamG - Wernigerode vom 11.1.2006, Aktenzeichen: 11 F 1346/05, abgeändert und der Beklagte über die Verpflichtung gem. Ziff. 1 des Tenors der Entscheidung hinaus verurteilt, an die Klägerin folgenden Unterhalt zu zahlen:
a) ab Januar 2005 bis Juli 2005 einen rückständigen Unterhaltsbetrag von 6.638,52 EUR (= 6 × 981,72 EUR + 748,20 EUR) und
b) ab August 2005 bis Juni 2006 einen rückständigen Unterhaltsbetrag von 8.230,20 EUR (= 11 × 748,20 EUR)
c) ab Juli 2006 einen Betrag von 748,20 EUR monatlich.
1. Die Berufung des Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil des AG Wernigerode wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 15.616,92 EUR (= 6.638,52 EUR Rückstand + 8.978,40 EUR laufender Unterhalt für maximal 12 Monate à 748,20 EUR) festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 2 Satz 1, 45 Abs. 2 und 1 Satz 1, 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 GKG).
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil mangels zugelassener Revision unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 9 EGZPO).
II. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.
Allein in der Sache begründet ist die Berufung der Klägerin (B), während das Rechtsmittel des Beklagten ohne Erfolg bleibt (A).
A. Das Rechtsmittel des Beklagten gegen das Urteil des AG Wernigerode vom 11. Januar dieses Jahres (Bd. I Bl. 127-131 d.A.) ist sachlich unbegründet.
1. Für die Leistungsklage der Klägerin besteht entgegen der Ansicht des Beklagten gleichsam eo ipso ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem Gläubiger eines materiellrechtlichen Anspruchs bleibt es jederzeit unbenommen, den Anspruch prozessual titulieren zu lassen. Er muss lediglich im Falle des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreites tragen, falls nicht der Schuldner durch sein vorprozessuales Verhalten zur Klage Anlass gegeben hat.
Der in Ziff. IV und V der notariellen Vereinbarung vom 29.3.2001(Bl. 10-17 Bd. I d.A.) zugunsten der Klägerin festgelegte Anspruch ist nicht mit einer Vollstreckungsklausel versehen worden, bedurfte mithin noch der entsprechenden Titulierung, die nur über eine Klage erreicht werden konnte. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klage war auch deswegen zweifelsfrei gegeben bzw. sogar virulent geworden, weil der Beklagte vorprozessual sowohl mit Schreiben vom 7.6.2005 (Bl. 24/25 d.A.) als auch mit E-Mail vom 5.8.2005 (Bl. 62 d.A.) unter Hinwegsetzung über seine diesbezügliche Verpflichtung gem. Ziff. IV der notariellen Vereinbarung der Klägerin angedroht hatte, zukünftig die Kreditraten bei der Deutschen Bank betreffend das Grundstück in L. nicht mehr zu zahlen.
2. Es kann mangels diesbezüglicher Beschwer des Beklagten dahinstehen, ob die an sich unstreitige und vom AG in Ziff. 1 des Urteilstenors dem Unterhalt zugeordnete Freistellungsverpflichtung des Beklagten gem. Ziff. IV der notariellen Vereinbarung tatsächlich für sich genommen als Unterhaltsleistung zu verstehen ist.
Die in Ziffer V der notariellen Vereinbarung vorgesehene Anrechnung jener Leistung auf den Unterhalt dürfte eine derartige Annahme jedenfalls dann rechtfertigen, wenn, wie hinsichtlich der Berufung der Klägerin noch des Näheren auszuführen sein wird, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wenigstens in Höhe der Freistellungsverpflichtung gem. Ziff. IV zu bejahen ist. Im Übrigen hat der Beklagte selbst, wie sein Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben gemäß Anlage U zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 (Bl. 122 Bd. I d.A.) zeigt, seine insoweit erbrachten Zahlungen als Unterhaltsleistung verstanden. Seine gegenteilige prozessuale Einlassung verstößt demzufolge gegen das nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB geltende Verbot des widersprüchlichen Verhaltens.
3. Zu Recht ist auch die an sich in Ziff. IV Satz 4 der notariellen Vereinbarung vom 29.3.2001 (Bl. 12 Bd. I d.A.) geregelte Freistellungsverpflichtung des Beklagten vom AG antragsgemäß in eine primär unmittelbar ggü. der Klägerin geltende Zahlungsverpflichtung umgewandelt worden.
Denn der Beklagte hat, wie seine bereits erwähnten Schreiben vom 7.6.2005 (Bl. 24/25 d.A.) und 5.8.2005 (Bl. 62 d.A.) unmissverständlich dokumentieren, seine Freistellungsverpflichtung mehrfach in Abrede gestell...