Leitsatz (amtlich)

1. Eine nachträgliche Überprüfung der vom Netzbetreiber bestimmten Netznutzungsentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB ist regelmäßig auszuschließen, wenn der Netzbetreiber nur das nach § 23a EnWG 2005 genehmigte Netznutzungsentgelt verlangt.

2. Wollte man dem nicht folgen, müsste das Vorliegen einer Genehmigung des Netznutzungsentgelts nach § 23a EnWG 2005 im Rahmen einer Prüfung nach § 315 BGB zumindest zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast führen.

3. Der Senat lässt offen, ob § 111 EnWG auch einem auf Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten kartellrechtlichen Anspruch entgegensteht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 102 S. 2 Buchstabe a) AEUV liegen nicht vor, wenn die Genehmigung der Preise im Falle der Stromnetznutzungsentgelte zunächst gegen einen Missbrauch einer Monopolstellung spricht und es dem Kläger nicht gelingt, diesen Anschein zu erschüttern.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen 36 O 246/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.05.2012; Aktenzeichen EnZR 105/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.4.2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf bis zu ... EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückzahlung von Netznutzungsentgelten.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die "L. - Z. GmbH und Co. KG", leitete in dem Zeitraum von Oktober bis Dezember 2006 Strom durch das Netz der Beklagten. Grundlage war ein Händlerrahmenvertrag zur Nutzung des Netzes der Beklagten vom 11.4.2003. Die Abrechnung der streitgegenständlichen Entgelte erfolgte auf Grundlage des ab 1.10.2006 gültigen Preisblattes der Beklagten das nach § 23a EnWG n.F. (2005) durch die Aufsichtsbehörde genehmigt worden war.

Mit der Erteilung der ursprünglichen Einzugsermächtigung hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall der Unzulässigkeit der angeforderten Beträge ausgesprochen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe in dem genannten Zeitraum insgesamt ... EUR Netznutzungsentgelt an die Beklagte geleistet. Sie vertritt die Ansicht, die Nutzungsentgelte seien unbillig und meint, eine Überprüfung der Entgelte nach § 315 BGB oder den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen müsse auch bei einem genehmigten Preisblatt zulässig sein. Insofern habe sich die Rechtslage im Vergleich zu den Genehmigungen nach § 12 BTO ELT und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BGH nicht geändert. Die Prüfung sei auch erforderlich, da die Aufsichtsbehörden nur eine Höchstpreiskontrolle durchführten.

Die Klägerin hat beantragt, das Gericht möge das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess- und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die ehemalige L. - Z. GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in dem Zeitraum vom 1.10.2006 bis zum 31.12.2006 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze bestimmen sowie die Beklagte zu verurteilen, die Differenz zwischen den ausweislich der Auflistung nach Anlage K 1 tatsächlich gezahlten Entgelte für die Netznutzung für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis zum 31.12.2006 in Gesamthöhe von ... EUR (netto) und dem von dem Gericht bestimmten billigen Entgelt für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis zum 31.12.2006 für die Netznutzung zzgl. Umsatzsteuer nebst gesetzlicher Rechtshängigkeitszinsen an die L. AG zu zahlen, sowie hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe des vom Gericht nach § 287 ZPO festgestellten Schadens durch die kartellrechtswidrigen überhöhte Berechnung der Entgelte für die Netznutzung für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.12.2006 nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Hauptantrages zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, eine zusätzliche Kontrolle nach den Vorschriften des GWB oder des BGB sei nach der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes aus dem Jahr 2005 aus rechtlichen Gründen unzulässig.

Dieser Ansicht hat sich das LG in seinem Urteil vom 28.4.2010 angeschlossen. Die Kammer hat einen Anspruch der Klägerin auf Überprüfung der gezahlten Netzentgelte verneint. Zur Begründung hat das LG auf die vorliegende Genehmigung der Entgelte nach § 23a EnWG verwiesen. Da nach § 111 EnWG in der maßgeblichen Fassung die §§ 19 und 20 des GWB für nicht anwendbar erklärt worden seien, liege eine entsprechende a...

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