Leitsatz (amtlich)

Überantwortet das Krankenhaus einen Patienten nach Abschluss der Behandlung dem überweisenden Arzt zurück, so kann sich der rücküberweisende Arzt darauf verlassen, dass der niedergelassene Arzt den im Arztbrief dokumentierten Empfehlungen folgt und die hieraus ersichtlichen therapeutischen bzw. diagnostischen Maßnahmen veranlasst.

Stehen für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, muss der Patient - nach sachverständiger Beratung durch den Arzt - selbst prüfen können, was er an Belastungen und Gefahren auf sich nehmen will. Die Aufklärung über Behandlungsalternativen kann aber nur verlangt werden, wenn der Patient eine echte Wahlmöglichkeit (Alternative) hat. Das ist nicht der Fall, wenn sie im konkreten Einzelfall nicht indiziert ist, ein erheblich höheres Risiko aufweist und wesentlich geringere Heilungschancen bietet.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 19.08.2009; Aktenzeichen 9 O 445/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.8.2009 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.376,08 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für etwaige zukünftige Schäden aufgrund einer angeblich fehlerhaften urologischen Behandlung und wegen Aufklärungsversäumnissen geltend.

Im September 2003 wurde bei dem Kläger eine Nierenstauung links festgestellt. Ursache war ein Ureterstein (Harnleiterstein). Zur Entfernung dieses Steins durch eine Ureterendoskopie (Harnleiterspiegelung) wurde der Kläger am 1.10.2003 bei der Beklagten zu 1) stationär aufgenommen. An diesem Tag erfolgte ein Aufklärungsgespräch mit dem Kläger, in dem die geplante Operation und deren Risiken besprochen wurden. In dem Aufklärungsbogen heißt es u.a.:

"Zu nennen sind: [...] sehr selten ein langstreckiges Aufschlitzen oder gar ein Abriss des Harnleiters, z.B. durch die Körbchenschlinge mit einem scharfkantigen oder eingeklemmten Stein. Diese schwere Komplikation muss durch sofortige operative Freilegung und Korrektur behoben werden."

Den Aufklärungsbogen unterschrieben der Kläger und der Beklagte zu 2), der bei der Beklagten zu 1) angestellt war.

Am 2.10.2003 führte der Beklagte zu 2), damals Assistenzarzt im dritten Ausbildungsjahr zum Facharzt für Urologie, unter Assistenz des Beklagten zu 3), Facharzt für Urologie bei der Beklagten zu 1), die Operation durch. Beim Herausziehen des Steins riss der Harnleiter ab. Die Operation wurde daraufhin abgebrochen und eine Revisionsoperation durch den Chefarzt Prof. Dr. F. durchgeführt. Er legte dem Kläger einen Endoureterkatheter (Schiene).

Am 17.10.2003 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Als Termin zur Wiedervorstellung zur Entfernung der Schiene wurde der 1.12.2003 bestimmt.

Am 26.10.2003 erlitt der Kläger einen Kollaps und wurde bei der Beklagten zu 1) mit Antibiotika behandelt. Am 14.11.2003 wurde die Schiene vorzeitig entfernt. Die Entlassung des Klägers erfolgte am 19.11.2003. Im Anschluss wurde der Kläger durch seine Hausärztin und einen niedergelassenen Urologen sowie einen Internisten behandelt.

Am 8.12.2003 unterzog der Kläger sich einer Ultraschalluntersuchung. Am 18.12.2004 fand bei Dr. E., einem niedergelassenen Urologen, eine Röntgenuntersuchung statt, der er eine (Harn-) Staustufe 2 bei dem Kläger feststellte.

Am 8.1.2004 stellte der Beklagte zu 4), der ebenfalls bei der Beklagten zu 1) angestellt war, im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung bei dem Kläger ebenfalls eine Harnstauung fest. Es folgten weitere Termine bei den niedergelassenen Ärzten. Am 26.1.2004 stellte der Nuklearmediziner Dr. N. fest, dass die Leistungsfähigkeit der linken Niere nur noch bei 14 % lag.

Der Kläger machte die Beklagten für den Funktionsverlust seiner linken Niere verantwortlich und leitete ein Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern ein. Diese kam nach Einholung eines urologischen Gutachtens vom 20.9.2004 zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht vorliege. Wegen der Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens wird Bezug genommen auf das urologische Gutachten des Dr. med. M. R. vom 20.9.2004 (Bd. I, Bl. 56 bis 59 d.A.) und das Votum der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern vom 31.10.2005 (Bd. I, Bl. 60 bis 63 d.A.)...

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