Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 29.04.2021; Aktenzeichen 10 O 828/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 6.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB, denn das Fahrzeug verfügt zwar über zumindest eine unzulässige Abschalteinrichtung; mangels Täuschung des KBA sowie wegen fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten liegt aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vor; zudem ist infolge Nichtbestehens einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -untersagung einher (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Hamm. Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 49).

Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist zwar unstreitig eine Fahrkurve verbaut. Diese stellt für sich betrachtet aber noch keine Abschalteinrichtung dar (vgl. OLG Naumburg; Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 43; jeweils zitiert nach juris). Dementsprechend kann auch dahingestellt bleiben, ob das Fahrzeug den Prüfstand über den Lenkwinkel erkennt oder das Ende des Precon registriert.

Beim OBD-System handelt es sich um ein Fahrzeugdiagnosesystem und damit ebenfalls bereits um keine Abschalteinrichtung (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 91 ff; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 37 ff; jeweils zitiert nach juris).

Letztlich kommt es auch nicht auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage an, ob vorliegend ein EA288 EU5 oder ein EA 288 EU6 NSK verbaut ist.

Wäre ein EA288 EU6 NSK verbaut, würde der NSK zwar im Prüfstand und im Realbetrieb nicht gleich angesteuert, weil der NSK auf dem Prüfstand zunächst unabhängig von seinem Beladungszustand regeneriert, d.h. vollständig geleert würde und sodann eine rein streckengesteuerte Regeneration erfolgen würde, wohingegen im Normalbetrieb eine beladungs- und streckengesteuerte (mit der Beladungssteuerung als führender Größe) Regeneration stattfinden würde; zudem hat die Beklagte zwischenzeitlich selbst vorgetragen hat, dass die hinterlegte Fahrkurvenerkennung des Weiteren dazu geführt habe, "dass in Abhängigkeit von der Alterung des NSK eine Heizmaßnahme im NEFZ aktiviert werden konnte"; in diesem Falle habe dies dazu geführt, "dass die Temperatur des NSK im NEFZ unmittelbar vor dem ersten NSK-Regenerationsevent erhöht" worden sei (z.B. Bl. 15 III d.A. 8 U 69/21). Aufgrund der dargestellten unterschiedlichen Betriebsarten läge eine (weitere) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 vor. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass nur durch die Entleerung des NSK vor dem Prüflauf eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse gewährleistet werden könne. Vielmehr müssen die Grenzwerte unabhängig von dem vor dem NEFZ ohne die Entleerung bestehenden Beladungszustand auf jedem 11 km-Intervall eingehalten werden; alles andere läuft darauf hinaus, auf dem Prüfstand im Vergleich zum Normalbetrieb die Massenemission pro km (mg/km) zu verringern (OLG Naumburg, Urt. v. 09.04.2021, 8 U 68/20, Rn. 27. zitiert nach juris). Auch dass ausweislich des Schreibens der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015 die "sog. Akustikfunktion inklusive Fahrkurve" (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 61; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 45; jeweils zitiert nach juris) bzw. ausweislich der mit dem vorgenannten Schreiben dem KBA übermittelten Entscheidungsvorlage Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288 vom 18.11.2015 die Umschaltung von der im Testbetrieb allein streckengesteuerten Regeneration des NSK auf eine beladungs- und streckengesteuerte Regeneration im Realbetrieb (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn, 62; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16) keinen Einfluss auf die Emissionen habe...

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