Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 13.08.2021; Aktenzeichen 4 O 628/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.08.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 13.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313 a Abs. 1 § 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts sind zutreffend. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug zwar über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, mangels Täuschung des KBA sowie fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegt und infolge Nichtbestehen einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -untersagung einher (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20. Rn. 49).

In dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist unstreitig eine Fahrkurve hinterlegt. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (vgl. 8 U 1/21. Bl. 131 II) ermöglicht diese es dem Fahrzeug, zu erkennen, ob es sich innerhalb eines bestimmten Zeit-Strecken-Korridors wie dem Precon oder dem NEFZ befindet. Zwar stellt die Fahrkurve selbst keine Abschalteinrichtung (vgl. OLG Naumburg; Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21. Rn. 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 43; jeweils zitiert nach juris), jedoch ein starkes Indiz für das Vorhandensein einer solchen dar, weil ihre Installation ansonsten keinen Sinn ergäbe. Der diesbezüglichen Erläuterung der Beklagten, wonach das Fahrzeug erkennen müsse, dass es sich auf dem Prüfstand befinde, damit dort verschiedene Sicherheitssysteme abgeschaltet werden könnten, vermag der Senat nicht zu folgen, denn allein hierfür wäre keine Anknüpfung an eine komplexe mathematische Weg-Zeit-Funktion erforderlich (a.A. offenbar OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 47, zitiert nach juris).

Anknüpfend an diese Fahrkurve wurde nach dem eigenen Vortrag der Beklagten im Prüfbetrieb anders als im Realbetrieb auch nach Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators eine erhöhte AGR-Rate beibehalten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Betriebsarten liegt eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 vor. Dass ausweislich des Schreibens der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015 die "sog. Akustikfunktion inklusive Fahrkurve" (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 61; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21. Rn. 16; OLG Düsseldorf. Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19. Rn. 45; jeweils zitiert nach juris) keinen Einfluss auf die Emissionen haben soll, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung fällt eine fehlende Grenzwertkausalität nämlich nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. c) VO (EG) Nr. 715/2007, weil dies den Sinn und Zweck des Testverfahrens ad absurdum führen würde (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 09.04.2021, 8 U 68/20, Rn. 30, 31, OLG Dresden, Beschl. v. 29.07.2021, 9a U 378/20, Rn. 38: jeweils zitiert nach juris).).

Der danach vorliegende Gesetzesverstoß genügt allerdings noch nicht, um das Gesamtverhalten der Beklagten als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB zu qualifizieren.

Hierfür fehlt es an einer Täuschung des KBA durch die Beklagte (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 24: OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 38, 44; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 94, 95; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20. Rn. 57, jeweils zitiert nach juris). Vielmehr geht aus deren Schreiben an das KBA vom 29.12.2015 sowie verschiedenen von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA hervor, dass die Fahrkurvenerkennung dort seit Ende 2015 bekannt war. Das KBA hat hierzu ausgeführt, die Fahrkurvenerkennung habe als ein zusätzliches Kriterium zur Umschaltung von Emissionsminderungsstrategien gedient funktio...

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