Leitsatz (amtlich)
1. Eine Streitigkeit aus dem Nachbarrecht im Sinne des §§ 34 Abs. 1 Nr. 2 SchStG LSA ist grundsätzlich schon dann zu bejahen, wenn das Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt (NbG LSA) Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt im konkreten Fall von Bedeutung sind.
2. Die Ausnahme von der obligatorischen Streitschlichtung nach § 34 Abs. 1 Nr. 2.e SchStG LSA ist nicht bereits dann gegeben, wenn der störende Nachbar einen Gewerbebetrieb führt. Erforderlich ist, dass die störende Einwirkung von dem Nachbargrundstück aus einem Gewerbebetrieb herrührt.
3. Selbst wenn sie im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit stehen, unterliegen Zahlungsansprüche in Sachsen-Anhalt nicht der obligatorischen Streitschlichtung nach § 34a Abs. 1 Nr. 2.a SchStG LSA.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 28.10.2022; Aktenzeichen 5 O 552/19) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das am 28. Oktober 2022 verkündete Einzelrichterurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagten zu 4/5.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässigen Berufungen der Parteien bleiben ohne Erfolg.
A. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
1. Dies gilt zunächst einmal, soweit die Kammer die Klaganträge 2.a und b, gerichtet auf das Entfernen von Findlingen, von einem Betonteil und von Bauschutt, abgewiesen hat.
a. Diese Klaganträge sind nicht unzulässig. Ein obligatorisches Schlichtungsverfahren war nicht durchzuführen.
Das Verfahren fällt diesbezüglich nicht in den Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO, § 34a Abs. 1 Nr. 2 SchStG LSA, da es weder Streitigkeiten im Zusammenhang mit §§ 906, 910, 911 oder 923 BGB (Nr. 2 a - c) noch Streitigkeiten aus dem Nachbarrecht wegen der im Nachbarschaftsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (NbG) geregelten privaten Nachbarrechte betrifft.
Allerdings ist eine Rechtsstreitigkeit über Ansprüche wegen im NbG geregelter Rechte schon dann zu bejahen, wenn dieses Gesetz Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt im konkreten Fall von Bedeutung sind. Erst durch die Zusammenschau aller gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts, das sich als Bundesrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch findet (§§ 906 ff. BGB) und in den Rechtsvorschriften der landesrechtlichen Nachbargesetze enthalten ist, werden nämlich Inhalt und Schranken der Eigentümerstellung bestimmt. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann ein Eigentümer sich gegen eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigung zur Wehr setzen oder verpflichtet sein, diese zu dulden. In derartigen Fällen unterfällt deshalb auch eine auf § 1004 BGB oder auf Deliktsrecht gestützte Klage wegen Eigentumsbeeinträchtigung wegen der engen Verbundenheit mit nachbarrechtlichen Vorschriften [...] einer obligatorischen Streitschlichtung (z. B. OLG Hamm, Urteil vom 6. September 2018 - 5 U 52/18, zitiert nach Juris).
Im vorliegenden Fall ist allein ein Anspruch aus § 1004 BGB wegen der Beseitigung von Steinen bzw. Betonteilen von dem Nachbargrundstück geltend gemacht, für den keinerlei Vorschriften nach dem NbG eine Rolle spielen.
b. In der Sache hat die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Beseitigung von fünf Findlingen, von einem Betonteil sowie von Bauschutt gemäß § 1004 BGB.
Zwar hat die Kammer im Wege der Inaugenscheinnahme am 15. August 2022 festgestellt, dass auf dem Grundstück der Klägerin sechs Betonteile lagern. Es ist aber auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht festgestellt hat, es sei nicht zu seiner Überzeugung erwiesen, dass jene - jetzt auch noch auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen - Betonteile von der Beklagten zu 1) auf das klägerische Grundstück verbracht worden seien, noch dass Baufirmen, die für die Beklagte zu 1) mit dem Bau des Garagenhofs auf dem Grundstück der Beklagten befasst gewesen seien, jene Betonteile auf dem Grundstück der Klägerin abgelagert hätten.
Dies ist das jedenfalls vertretbare Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass das Landgericht aufgrund einer unvollständigen oder fehlerhaften Beweiswürdigung zu einem falschen Ergebnis gekommen sei.
Im Zivilprozess ist die Prüfungsdichte des Berufungsgerichtes eingeschränkt. Auch wenn das Berufungsgericht noch Tatsachengericht ist, hat es grundsätzlich gemäß §§ 529 Abs. 1 Ziffer 1, 520 Abs. 3 Ziffer 3 ZPO als den Kernbestimmungen des Berufungsrechtes von den Tatsachen auszugehen, die das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Ein Abweichen von den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts und damit eine erneute Beweisaufnahme kommt daher nur dann...