Leitsatz (amtlich)

1. Der nach § 648a Abs. 1 BGB sicherungsfähige Vergütungsanspruch des Werkunternehmers besteht bei einem Pauschalpreisvertrag grundsätzlich in dem Pauschalpreis. Veränderungen des Leistungsumfangs sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie vom Unternehmer selbst vorgebracht werden oder unstreitig sind und nach der Struktur des Pauschalpreisvertrages Einfluss auf die Vergütung haben können.

2. Streitige Mängel der Werkleistung können nach dem Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung, nämlich dem Unternehmer eine Sicherheit zu gewähren, die ihren Zweck nicht verfehlt, ihn vor dem Ausfall des Bestellers zu schützen, im Rechtsstreit über die Sicherheitsleistung keine Berücksichtigung finden, mögen sie auch gravierend sein.

3. Der Unternehmer kann auch in Höhe des Gewährleistungseinbehalts Sicherheitsleistung verlangen. Dafür spricht der Wortlaut des § 648a Abs. 1 S. 1 BGB, nach dem Sicherheit für die gesamte "vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung" verlangt werden kann, ferner der Umstand, dass der Sicherungsanspruch bereits vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an geltend gemacht werden kann. Wenn im Übrigen weder Abnahme noch Fälligkeit des Werklohnanspruchs Voraussetzung des Sicherungsanspruchs sind, kann auch ein vereinbarter Gewährleistungseinbehalt dem Sicherungsverlangen nicht entgegenstehen. Der Besteller erfährt ausreichende Sicherung dadurch, dass er die Mängeleinrede dem Zahlungsanspruch (nicht dem Sicherungsanspruch) entgegenhalten kann.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 30.09.2016; Aktenzeichen 3 O 34/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. September 2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Vertrag vom 5./11. Mai 2015 für das Bauvorhaben A. Straße in H. betreffend die Errichtung eines Fassaden-Wärmedämmverbundsystems inklusive Gerüststellung eine Sicherheit gem. § 648a BGB i.V.m. §§ 232 ff. BGB in Höhe von 33.633,75 Euro zu leisten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Schuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB zur Absicherung einer Werklohnforderung.

Die Klägerin verpflichtete sich auf Grundlage eines Bauvertrages vom 5. und 11. Mai 2015 (Anlage K1, Bl. 6 ff. GA I) zur Herstellung eines Fassaden-Wärmedämmverbundsystems an dem Bauvorhaben A. Straße in H. . Auf Grundlage der Eingangsbestätigung vom 11. Mai 2015 (Anlage K3, Bl. 23 GA I) und einer Auftragsbestätigung der Beklagten vom selben Tage (Anlage B1, Bl. 82 ff., insbesondere Bl. 89 GA I) waren sich die Parteien darüber einig, dass der im Bauvertrag auf Grundlage eines Leistungsverzeichnisses (Bl. 12 ff. GA I) ausgewiesene Preis von 201.346,50 EUR ein Festpreis sein und die Preisvereinbarung als Pauschalpreisvereinbarung gelten sollte.

Anlässlich einer Begehung vom 9. November 2015 verweigerte die Beklagte die Abnahme der Leistungen, die die Klägerin zu diesem Zeitpunkt als seit dem 9. Oktober 2015 abnahmereif fertiggestellt ansah.

Unter dem 17. November 2015 erteilte die Klägerin eine Schlussrechnung über 39.215,22 EUR (Anlage K5, Bl. 25 ff. GA I). Bereits zuvor, nämlich unter dem 13. November 2015 (Anlage K6, Bl. 34 ff. GA I), hatte die Klägerin die Beklagte zu einer unbezifferten Sicherheitsleistung für den restlichen Werklohn aufgefordert. Nachdem die Beklagte dieses Verlangen aus formalen Gründen zurückgewiesen hatte, wiederholte die Klägerin ihr Verlangen unter dem 25. November 2015 (Anlage K8, Bl. 38 ff. GA I).

Unter dem 18. November 2015 erklärte die Beklagte sinngemäß die Kündigung des Bauvertrages und berief sich darauf, dass die Klägerin Nachfristen zur Fertigstellung der erbrachten Leistung und Fristen zur Mängelbeseitigung überschritten habe (Anlage B8, Bl. 140 ff. GA I).

Unter dem 14. Januar 2016 (Anlage B 12, Bl. 149 ff. GA I) erklärte die Klägerin ihrerseits die Kündigung des Bauvertrages unter Berufung auf § 648a Abs. 5 BGB.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für den näher bezeichneten Vertrag eine Sicherheit nach § 648a BGB in Verbindung mit §§ 232 ff. BGB in Höhe von 35.303,32 EUR zu leisten, und die weitergehende (insgesamt auf eine Sicherheitsleistung in Höhe von 39.215,22 EUR gerichtete) Klage abgewiesen.

Die Klägerin verfüge über einen Anspruch in Höhe der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung. Diese berechne sich aus dem Pauschalpreis brutto in Höhe von 234.810,29 EUR unter Abzug der in Höhe vo...

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