Leitsatz (amtlich)

Ein Vermögensschaden ist dem Mandanten eines Rechtsanwalts bereits dann entstanden, wenn durch die Pflichtverletzung des Rechtsanwalts sämtliche außervertragliche Schadenersatzansprüche des Mandanten aus einem Unfall gegen mehrere Haftpflichtige verjährt sind, und zwar unabhängig davon, ob der Mandant ggf. noch vertragliche Schadenersatzansprüche gegen weitere Haftpflichtige geltend machen kann. Dies gilt insb. dann, wenn die Voraussetzungen eines deliktischen Schadenersatzanspruches leicht darzulegen und zu beweisen waren (hier: Gefährdungshaftung beim Betrieb einer Eisenbahn).

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Aktenzeichen 6 O 1628/02)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats v. 9.11.2004 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten zu 1) und zu 2) (künftig: die Beklagten) Schadenersatz wegen Schlechterfüllung anwaltlicher Vertragspflichten aus einem Mandat zur Regulierung eines der Klägerin entstandenen Sachschadens aus einem Bahnunfall am 8.10.1996 in B.-Ch. Soweit erstinstanzlich auch Rechtsanwalt B. als Beklagter zu 3) in Anspruch genommen worden war, hat die Klägerin die Abweisung der gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Klage wegen fehlender Zugehörigkeit zur Sozietät im Zeitpunkt der Pflichtverletzungen und der Schadensentstehung in Rechtskraft erwachsen lassen.

Der Schadensfall ereignete sich anlässlich der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin auf dem Gelände des Güterbahnhofs B.-Ch.

Die D. Netz AG hatte die Arbeitsgemeinschaft K. GmbH & Co. KG (künftig: K.) mit Tiefbauarbeiten des Bauvorhabens Schnellverbindung Hannover-Berlin beauftragt. Die K. übertrug die Tiefbauarbeiten auf ihr Mitglied, die H. GmbH & Co. KG (künftig: Fa. H.); diese wiederum beauftragte die Fa.A. (künftig: Fa.A.) als Subunternehmer mit den Baggerarbeiten und die Klägerin als weitere Subunternehmerin mit Transportleistungen zum Abtransport des Bodenaushubes. Mit der Sicherung der Bahngleise während der Bauarbeiten hatte die D. Netz AG die S. GmbH (künftig: S.) beauftragt, mit der Überwachung der Baustelle die G. mbH (künftig: G.).

Am 8.10.1996 belud ein Bagger der Fa.A. einen Lkw der Klägerin. Der Bagger befand sich dabei entgegen der Bestimmungen der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung innerhalb der Umgrenzungslinien des Betriebsgleises 23. Bei den zur Aufnahme der Gleisbettrückstände und zum Verladen auf den Lkw notwendigen Schwenkbewegungen des Baggers befand sich der Ausleger regelmäßig im Regellichtraum dieses Gleises. Auf dem Gleis 23 näherte sich eine fahrdienstlich zugelassene Regionalbahn der in einer langgezogenen Rechtskurve liegenden Baustelle in überhöhter Geschwindigkeit. Der Triebwagen kollidierte mit dem Schwenkarm des Baggers, wodurch dieser auf den Lkw der Klägerin geschleudert wurde. Am Lkw entstand ein Sachschaden i.H.v. 58.492,48 DM netto; zudem entstanden der Klägerin Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens i.H.v. 2.824 DM netto.

Im November 1996 beauftragte die Klägerin die Beklagten mit der Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche i.H.v. insgesamt 61.366,48 DM netto (entspricht 31.376,18 Euro). Die Beklagten nahmen u.a. Einsicht in die bahnpolizeiliche Ermittlungsakte (später 1 Ve Js 2529/96 Staatsanwaltschaft I beim LG Berlin = 303c Ds 187/98 AG Tiergarten). Das hieraus resultierende Strafverfahren endete im November 1999 mit Einstellungen der Verfahren gegen verschiedene Angeklagte jeweils nach Opportunitätsvorschriften. Im Verlaufe der Mandatsbearbeitung erhielten die Beklagten u.a. auch die schriftliche Unfalluntersuchung des Eisenbahn-Bundesamtes v. 17.1.1997 (vgl. Anlage K 20, GA Bd. I Bl. 126 ff.).

Die Beklagten forderten die Fa.A. mit Schreiben v. 27.11.1996 zur Schadenersatzleistung in voller Höhe auf; dabei gingen sie noch von einem Alleinverschulden des Unfalls durch den Baggerführer aus (vgl. Anlage K3, GA Bd. I Bl. 20 f.). Die Fa.A. verwies die Beklagten an ihre Haftpflichtversicherung; diese wiederum verwies auf die noch laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen und stellte der Klägerin anheim, die Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs selbständig und vor Abschluss der Ermittlungen darzulegen (vgl. Anlage K 30 - Schreiben v. 21.2.1997 - GA Bd. I Bl. 210). In der Folgezeit behielt der Haftpflichtversicherer der Fa.A., teilweise vertreten durch die Versicherungsmakler, diesen Standpunkt bei und bekräftigten ("... zu Ihrer Fristsetzung ..."!), dass eine endgültige Entscheidung, wer letztlich der Haftende sei, noch nicht gefallen sei (vgl. Anlage K 33 - Schreiben v. 25.8.1997 - GA Bd. I Bl. 214).

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