Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Haftung des Prinzipals nach § 75h HGB.
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 13.08.2004; Aktenzeichen 5 O 149/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Dessau vom 13.8.2004 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger über die ihm bereits vom LG zuerkannten 66.816 EUR nebst Zinsen hinaus, weitere 1.242,36 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2003 zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin, die diese selbst zu tragen hat.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 93.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
V. Der Streitwert wird auf 68.058,36 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für 20 Chemieanzüge und 8 Lungenautomaten.
Die Beklagte hat der Verwaltungsgemeinschaft W. und der Firma Q. AG den Streit verkündet (Bl. I, 27 d.A.). Letztere ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Die 5. Zivilkammer des LG Dessau (Kammer für Handelssachen) hat der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 66.816 EUR für 20 gelieferte CSA-Schutzanzüge verurteilt. Hingegen hat es die vom Kläger behauptete Lieferung von 8 Lungenautomaten an die Beklagte als nicht bewiesen angesehen und die Klage insoweit abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG ausgeführt, dass es i.E. der Vernehmung der Zeugen G. und W. davon ausgehe, dass der Zeuge G. im Namen der Beklagten telefonisch am 24.7.2003 mit dem Kläger einen Kaufvertrag über 20 Chemieanzügen sowie 8 Lungenautomaten abgeschlossen habe. Der Zeuge G. sei zum Vertragsschluss für die Beklagte jedoch nicht bevollmächtigt gewesen. Ob er durch die Betriebsstättenleiterin der Beklagten, die Zeugin W., konkludent zum Abschluss des Kaufvertrages bevollmächtigt worden sei, weil diese nach seiner glaubwürdigen Aussage während der Zeit der zwischen ihm und dem Kläger geführten Gespräche anwesend gewesen und von ihm darüber hinaus auch im Einzelnen über den Inhalt der Gespräche informiert worden sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Beklagte den Vertragsschluss im Nachhinein gem. § 75h HGB genehmigt habe. Bei dem Zeugen G. handele es sich um einen Handlungsgehilfen, der mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes der Beklagten betraut gewesen sei. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung vom 10.2.2004 auf Frage des Gerichts selbst erklärt, dass der Zeuge G. als Außendienstmitarbeiter eingesetzt gewesen sei. Der Zeuge G. habe dies in seiner Vernehmung auch gleichlautend bestätigt. Soweit die Beklagte anschließend ihren Vortrag geändert und nunmehr behauptet habe, der Zeuge G. sei nur innerhalb des Betriebes der Beklagten tätig und daher kein Außendienstmitarbeiter gewesen, könne sie damit nicht mehr gehört werden. Da die Beklagte den Widerspruch in ihrem Vortrag nicht erklärt habe, müsse sie sich an ihrer ursprünglich abgegebenen Erklärung festhalten lassen. Der Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Frage, ob der Zeuge G. mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes der Beklagten betraut gewesen sei, habe es somit nicht bedurft. Dem Kläger sei der Mangel der Vertretungsmacht des Zeugen G. auch nicht bekannt gewesen. Spätestens mit Übersendung der Rechnung vom 29.7.2003 habe die Beklagte Kenntnis von dem in Rede stehenden Geschäft durch den Kläger erhalten. Die Entgegennahme der Rechnung durch die Zeugin W. müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, denn die Zeugin W. sei insoweit Wissensvertreterin der Beklagten gewesen. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, dem Kläger ggü. ohne schuldhaftes Zögern die Ablehnung des Geschäfts zu erklären. Die erst mit Schreiben vom 29.8.2003 erklärte Zahlungsverweigerung der Beklagten sei nicht mehr unverzüglich gewesen, zumal es einer eingehenden Prüfung nicht mehr bedurft hätte, da die Zeugin W. am 24.7.2003 bei den Verhandlungen mit dem Kläger am Havarieort zugegen und auch über den Inhalt der Vereinbarungen mit dem Kläger informiert gewesen sei. Auch diese Kenntnis müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.
Der Kläger habe auch bewiesen, dass er die von ihm in Rechnung gestellten 20 Schutzanzüge an die Beklagte geliefert habe. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen G. sei davon auszugehen, dass dieser mit dem Kläger vereinbart gehabt habe, dass die Übergabe der Anzüge an die Einsatzkräfte der vor Ort anwesenden...