Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 08.12.2004; Aktenzeichen 5 O 92/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 8.12.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert der Berufung wird auf 1.552.429 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz einschließlich der dort ergangenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Leseabschrift Bl. 106 ff. Bd. I d.A.).
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er bekämpft die Auffassung des LG, den fraglichen Zahlungen der Klägerin von insgesamt 54,9 Mio. DM und der Stundung einer Forderung von 3.116.626,33 DM komme keine Kapitalersatzfunktion zu, weil es sich infolge der Entscheidung der EG-Kommission vom 9.4.2002 um rechtsgrundlose Zuwendungen handele. Jedenfalls sei der Anordnung der EG-Kommission genüge getan, wenn die Forderung der Klägerin im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zur Tabelle festgestellt werde. Zweck der betreffenden EG-Normen sei es allein, die durch die Zuwendungen entstandene Wettbewerbsverfälschung dadurch zu beseitigen, dass dem zu Unrecht begünstigten Unternehmen die rechtswidrige Beihilfe wieder entzogen werde. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten sei es unbeutend, an wen im Insolvenzverfahren der Liquidationserlös ausgeschüttet werde und wer dabei vor- oder nachrangig bedient werde. Soweit die Klägerin die Feststellung eines Teils ihrer Forderungen "in Rangklasse § 39 InsO" beantragt und das LG diesem Antrag entsprochen habe, sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Eine pauschale Rangklasse § 39 InsO existiere nicht, es sei zwingend zwischen den in § 39 InsO aufgeführten Rangklassen zu unterscheiden.
Der Beklagte beantragt, das am 8.12.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, auf den sie ergänzend Bezug nimmt.
II. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin steht im Rang des § 38 InsO eine Forderung i.H.v. 29.663.430,02 EUR (§§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB) zzgl. Zinsen i.H.v. 3.366.948,57 EUR sowie im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Zinsforderung i.H.v. 5.234.254,45 EUR zzgl. 4,43 % jährlich seit dem 1.1.2004 von 29.663.430,02 EUR zu.
Zur Zulässigkeit der Klage, zu Art und Höhe der Zuwendungen an die Insolvenzschuldnerin, zur Anwendbarkeit und zu den Voraussetzungen der §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall, 818 Abs. 2 BGB sowie zum Fehlen von Ausschlusstatbeständen nach den allgemeinen Bestimmungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (Ziff. I.1.-2. dd. des Urteils, Leseabschrift Bl. 109 ff. Bd. I d.A.).
Ein Nachrang der Forderung der Klägerin (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) besteht schon deshalb nicht, weil die mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 9.4.2002 für europarechtswidrig erklärten Zuwendungen der Klägerin nicht als eigenkapitalersetzend i.S.d. § 32a GmbHG zu qualifizieren sind.
§ 32a GmbHG setzt voraus, dass der Gesellschafter oder eine ihm gleichzustellende Person ein Darlehen gewährt oder eine dem wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vollzogen hat. Darüber hinaus muss das Darlehen nach seiner Beschaffenheit als Eigenkapitalersatz in der Krise fungieren können (Scholz-Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., §§ 32a, 32b, Rz. 43). An letzterem fehlt es hier. Die Auszahlung der fraglichen Darlehen erfolgten sämtlich "unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Europäischen Union". Unabhängig von der Frage, ob dieser Vorbehalt als auflösende oder aufschiebende Bedingung (§ 158 BGB) anzusehen ist, sind die Darlehensverträge nichtig, weil sie ausweislich der Entscheidung der EG-Kommission vom 9.4.2002 gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV und damit gegen ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB verstoßen (BGH WM 2003, 1492). Damit handelt es sich bei der Auszahlung der Darlehensvaluta an die Insolvenzschuldnerin nicht nur um rechtsgrundlose Leistungen, sondern um solche, von denen bei objektiver Betrachtung von Anfang an feststand, dass sie zurückzugewähren sind und deshalb weder rechtlich noch wirtschaftlich geeignet waren, in der Krise Eigenkapitalersatzfunktion zu übernehmen. Der Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gewährter Beihilfen ist unausweichlich, kann nicht umgangen werden und steht nicht zur Disposition des Gläubigers. Er muss vielmehr in jedem Falle unverzüglich durchgesetzt werden. Dies nimmt den von der Insolven...