Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachschieben von Kündigungsgründen beim Geschäftsführeranstellungsvertrag
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen 3 O 75/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Dessau vom 25.2.2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Dessau vom 25.2.2003 wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin, die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.500 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleiche Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
V. Der Streitwert wird - für die erste Instanz gem. § 25 Abs. 2 S. 2 GKG unter Abänderung des am 25.2.2003 verkündeten Beschlusses des LG Dessau - für beide Instanzen auf 116.247,32 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin war Geschäftsführerin der Beklagten. Sie begehrt Feststellung, dass die von der Beklagten unter dem 30.1.1995, 18.12.1995, 1.2.1996, 27.3.1996 und 10.5.1996 ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien und das Anstellungsverhältnis fortbestehe. Ferner verlangt sie Nachzahlung ihres Geschäftsführergehaltes samt Weihnachtsgeld für die Monate Dezember 1995 bis April 1996.
Wegen des Sachverhaltes wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 541 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO).
Erstmals im Termin am 15.5.2002 hat sich die Beklagte darauf berufen, dass es zu dem Anstellungsvertrag der Klägerin keinen förmlichen Gesellschafterbeschluss gebe.
Das LG hat mit seinem am 25.2.2003 verkündeten Urteil festgestellt, dass alle genannten Kündigungen mit Ausnahme derjenigen vom 25.5.1996 unwirksam seien; es hat die Beklagte im Übrigen zur Zahlung in Höhe des beantragten Betrages verurteilt. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hatte, dass auch die Kündigung vom 25.5.1996 unwirksam sei und das Anstellungsverhältnis fortbestehe, hat das LG die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der Einwand der Beklagten, der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag sei mangels förmlichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung unwirksam, sei treuwidrig, weil an dem Vertragsabschluss die beiden Gesellschafter beteiligt gewesen seien.
Die Kündigung vom 30.11.1995 (Bl. I 11) sei unwirksam, weil sie entgegen § 9 des Anstellungsvertrages nicht durch eingeschriebenen Brief erfolgt sei. Im Übrigen fehle es auch an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB, denn aus dem Erscheinen der Klägerin vor Gericht könne nicht der Schluss gezogen werden, die für diesen Tag bescheinigte Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht gewesen. Weiterhin fehle es an einem zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss: Sollte sich die Kündigung auf den Gesellschafterbeschluss vom 10.11.1995 stützen, sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Mangels eingeschriebenen Briefes und mangels Gesellschafterbeschlusses sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.
Die fristlose Kündigung vom 18.12.1995 (Bl. II 57) sei ebenfalls unwirksam. Auch hier fehle es an einem eingeschriebenen Brief und an einem zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss. Eine nachträgliche Beschlussfassung - etwa am 30.12.1995 - reiche nicht. Außerdem betreffe das der Kündigung zugrunde gelegtes Fehlverhalten - die Provisionszahlungen und die vorübergehende Verweigerung eines Generalschlüssels - eine andere Gesellschaft, nämlich die P. GmbH, und wirke weder direkt noch indirekt auf den streitgegenständlichen Vertrag. Schließlich sei auch nicht dargelegt, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt sei. Mangels eingeschriebenen Briefes und mangels Gesellschafterbeschlusses sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.
Die Kündigung vom 1.2.1996 (Bl. I 47) sei ebenfalls unwirksam. Zwar sei die Form - eingeschriebener Brief - gewahrt. Es sei aber nicht vorgetragen, dass die Kündigung auf einem wirksamen Gesellschafterbeschluss beruhe; bei einem etwaigen Beschluss auf der Gesellschafterversammlung am 30.12.1995 sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Aus diesen Gründen sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.
Die Kündigung vom 27.3.1996 (Bl. I 50) sei bereits deshalb unwirksam, weil der die Kündigung aussprechende Rechtsanwalt keine Originalvollmacht vorgelegt habe. Außerdem fehle wieder ein wirksamer Gesellschafterbeschluss, denn zu der Gesellschafterversammlung am 26.3.1996 sei die Klägerin unstreitig nicht geladen worden. Eine vorangegangene wirksame Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin sei nicht vorgetragen. Nachträgliche Beschlüsse würden keine heilende Wirkung e...