Leitsatz (amtlich)
Ein Vertrag über die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf einem Dach ist regelmäßig ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung, auch fehlt es am Bauwerksbezug. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung als Bauleistungen führt wegen des weiter gefassten steuerrechtlichen Begriffes zu keiner anderen Einschätzung. Damit scheidet die Anwendbarkeit von § 648a BGB aus.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 03.06.2013; Aktenzeichen 6 O 16/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. wird das am 3.6.2013 verkündete Urteil des LG Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz werden der Beklagten zu 1. 1/33 auferlegt. Von ihren außergerichtlichen Kosten erster Instanz trägt die Beklagte zu 1. 1/20. Darüber hinaus hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
und beschlossen:
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 974.389,38 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1. sowie die Beklagte zu 2. als deren ausgeschiedene Komplementärin nach Kündigung des Vertrages über die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Grund nicht geleisteter Bauhandwerkersicherheit auf Zahlung der vereinbarten Vergütung in Anspruch.
Seit Dezember 2010 standen die Klägerin und die Beklagte zu 1. wegen des Projektes in Kontakt. Nachdem die Fa. L. AG & Co KG (Beklagte zu 4.) das Grundstück mit den für den Aufbau der Auf-Dach-Anlagen bestimmten Werkhallen am 26.10.2011 in der Zwangsversteigerung für 200.000 EUR erworben hatte (vgl. Beschluss des AG Halle (Saale) vom 4.11.2011 - Anlage B10), schlossen die Beklagte zu 1. und die Klägerin am 28.10.2011 die sog. Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Errichtung von Photovoltaikanlagen (Anlage K1), der die Nebenbestimmung vom gleichen Tag (Anlage K27) hinzugefügt wurde. Die gem. § 1 zu liefernden und zu montierenden Anlagen sollten ausschließlich in das öffentliche Netz einzuspeisenden Strom produzieren (Bd. III Bl. 214 d.A.). Deshalb bestand auch Grund zur Eile, weil sich mit dem Ende des Jahres die garantierte Vergütung für den einzuspeisenden Strom zu verringern drohte.
Die in § 7 Abs. 2 des Vertrages vorgesehene Zahlung der Klägerin i.H.v. 289.989,72 EUR an die Beklagte zu 2., die im Umfang von 170.000 EUR geleistet ist, ging auf das Bestreben der Beklagten zu 1. zurück, sich wegen der nicht bekannten Leistungsfähigkeit der Klägerin abzusichern (Bd. I Bl. 4; Bd. II Bl. 66 d.A.), was - so die Klägerin - gleichsam den Charakter einer Fertigstellungssicherheit trug (Bd. II Bl. 69 d.A.).
Nachdem die Klägerin den Vertrag am 16.12.2011 gekündigt und der Beklagten zu 1. die Schlussrechnung übersandt hatte, berief sich die Beklagte zu 1. mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2011 auf die Unwirksamkeit der Kündigung und forderte die Klägerin erfolglos auf, "das Werk fristgerecht zu vollenden". Sollte die Anlage nicht vertragsgerecht hergestellt werden, sei die Beklagte zu 1. gezwungen, Schadensersatz zu verlangen (Anlage K9). Auf den Schadensersatz kam die Beklagte zu 1. einen Tag später zurück und erklärte "bereits die Aufrechnung gegenüber sämtlichen Ansprüchen, die seitens H. gestellt werden" (Anlage K10). Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm mit Schreiben vom 22.12.2011 Stellung (Anlage K11). Dort heißt es u.a.: "... Lediglich vorsorglich weise ich darauf hin, dass meiner Mandantin hier neben den Rechten aus § 648a BGB sowie der Kündigung auch solche aus § 321 BGB zur Seite standen. Selbst ohne Vertragsbeendigung wäre meine Mandantin in der gegenwärtigen Situation zur Leistungsverweigerung berechtigt. Höchst vorsorglich wird hiervon Gebrauch gemacht ...".
Im März 2012 hat die L. AG & Co. KG den von der Klägerin zuvor gelieferten und installierten Teil der Anlagen (29 Wechselrichter, diverse Solarkabel und Standbausystem) für 260.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer veräußert (vgl. Vertrag Bd. III Bl. 221 ff. d.A.).
Das LG Halle hat der Klage mit Urteil vom 3.6.2013 gegen die Beklagten zu 1. und 2. im Wesentlichen stattgegeben. Im Übrigen blieben die Rechtsverfolgung der Klägerin und die auf teilweisen Schadensersatz gerichtete Widerklage der Beklagte zu 1. ohne Erfolg. Wegen der dort im Weiteren getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf die Entscheidung des LG Halle Bezug genommen.
Gegen das Urteil vom 3.6.2013 wenden sich die Beklagten zu 1. und 2. mit ihrer Berufung. Sie halten an der Auffassung fest, dass die Klägerin den Vertrag nicht habe kündigen können, weil die im Jahr 2011 für die Beklagte zu 1. nicht realisierbare Finanzierbarkeit des Projekts zwischen den Parteien klar gewesen ...