Leitsatz (amtlich)
Die Verletzung des Vorfahrtsrechts durch den in eine Straße Einfahrenden indiziert sein Verschulden. Es kommt aber eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Betracht. Beträgt diese ca. 50 % und hatten beide Fahrer auch jeweils eingeschränkte Sicht, rechtfertigt dies eine Haftungsverteilung von je 50 %.
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 22.07.2013; Aktenzeichen 21 O 153/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.7.2013 verkündete Urteil des LG Stendal (21 O 153/11) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:
Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger insgesamt 13.122,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.7.2011 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.025,55 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger ½ der künftig aus dem Unfallgeschehen vom 21.7.2010 gegen 16.00 Uhr in J. OT S. in Fahrtrichtung D. entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten der 1. Instanz tragen der Kläger zu 66 % und die Beklagten zu 1) und zu 2), diese als Gesamtschuldner, zu 34 %.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) für die erste Instanz und für die Berufungsinstanz. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der 1. Instanz der Beklagten zu 1) und zu 2) zu 50 %; die Beklagten zu 1) und zu 2) tragen als Gesamtschuldner die außergerichtlichen Kosten der 1. Instanz des Klägers zu 50 %.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 66 % und die Beklagten zu 1) und zu 2), diese als Gesamtschuldner, zu 34 %.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz der Beklagten zu 1) und zu 2) zu 50 %; die Beklagten zu 1) und zu 2) tragen als Gesamtschuldner die die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz des Klägers zu 50 %.
Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Die Zurücknahme der Berufung gegen die Beklagte zu 3) hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 19.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger machte gegen die Beklagten (in der Berufungsinstanz nur noch gegen die Beklagten zu 1) und zu 2); die zunächst auch gegen die Beklagte zu 3) eingelegte Berufung hat der Kläger mit der Berufungsbegründung zurückgenommen) Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfallgeschehen geltend.
Der Kläger befuhr am 21.7.2010 mit einem Pkw den Weg von S. nach D.. Nach dem Foto Nr. 18 aus der Ermittlungsakte handelt es sich um einen Privatweg (Befahren verboten). Sicherungsmaßnahmen (Tor oder Kette) gibt es nicht. Der Weg ist etwa 3 m breit und führt entlang landwirtschaftlich genutzter Grundstücke. Der Kläger war auf dem Weg zu einem Feuerwehreinsatz. Der Kläger fuhr dabei unmittelbar vor dem Unfallgeschehen mit einer Geschwindigkeit von 100 - 120 km/h (SV W. S. 19).
Der Beklagte zu 2), ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1), fuhr mit einem Fahrzeug, das im Polizeibericht als selbstfahrende Arbeitsmaschine Deere (D) 3400 bezeichnet wird, auf einem Feld und wollte auf den Weg einbiegen (in Richtung D.). Vor dem eigentlichen Fahrzeug befindet sich noch eine Arbeitsschaufel.
Der Beklagte zu 2) persönlich vom LG angehört hat ausgesagt, dass er mit Schrittgeschwindigkeit in den Weg einbiegen wollte, wobei die Schaufel nur ganz geringfügig in den Straßenraum hineingeragt haben könne. Er habe dann eine Staubwolke gesehen und sofort gebremst.
Aus der Blickrichtung des Beklagten zu 2) war die Sichtmöglichkeit in Richtung S. durch Büsche und Bäume erschwert (Fotos 1, 2, 13, 14 und 16 aus der Ermittlungsakte, Fotos S. 8 und 9 aus dem Gutachten W.).
Nach Angabe des Klägers hat er zunächst die Schaufel gesehen: Entweder kollidiere ich dagegen oder ich muss ausweichen (Anhörung vom 28.10.2011). Der Kläger hat kurz angebremst und ist dann aus seiner Sicht nach links ausgewichen: er hat sich mehrfach überschlagen und kam dann auf einem Feld links des Weges zum Stillstand.
Bei dem Unfall wurde der Kläger erheblich verletzt, insbesondere Brüche des 1. und 2. Lendenwirbels und ein verschobener Bruch des linken Mittelfußknochens. Die Brüche mussten operativ versorgt werden:
- Krankenhausaufenthalt vom 21.7. - 2.8.2010; arbeitsunfähig bis 20.9.2010
- Physiotherapie
- Ende 2010, Entfernung der Zuggurtung am linken Fuß (11 Tage arbeitsunfähig)
- Entfernung der Metallplatte an der Wirbelsäule (stationär 22. - 24.3.2011, danach 20 Tage arbeitsunfähig)
- Bewegungsbeeinträchtigung bis heute
- 20 % Dauerschaden
Der ...