Leitsatz (amtlich)
1. Die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall durch den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bindet den nach § 110 SGB VII regresspflichtigen Arbeitskollegen sowie die ebenfalls haftende Kfz.-Haftpflichtversicherung nur, wenn sie nach § 12 II SGB X am Verfahren beteiligt waren. Für den Regress des Unfallversicherungsträgers kommt es auf diese den Interessen des Geschädigten folgende Bindung aber auch nicht an, so dass der Prozess nicht nach § 108 II SGB VII auszusetzen ist. Das Zivilgericht hat das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes selbständig zu prüfen.
2. Der Unfallversicherungsschutz geht nicht deshalb verloren, weil sich der Arbeitnehmer zur Heimfahrt von einer auswärtigen Baustelle als Beifahrer in das vom erkennbar angetrunkenen und bekanntermaßen nicht über eine Fahrerlaubnis verfügenden Arbeitskollegen geführte Firmenfahrzeug begibt. Das daraus folgende Mitverschulden des Versicherten mindert auch den Regressanspruch des Unfallversicherungsträgers.
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 05.05.2014; Aktenzeichen 21 O 21/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 5.5.2014 verkündete Einzelrichterurteil der 1. Zivilkammer des LG Stendal werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Stendal vom 5.5.2014 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner im Wege des Rückgriffs auf Ersatz ihrer Aufwendungen wegen eines Arbeitsunfalls in Anspruch, welche sie als gesetzliche Unfallversicherung an den bei ihr versicherten Zeugen N. geleistet hat. Ferner begehrt sie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten in Bezug auf künftig entstehende Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 26.8.2010.
Die Klägerin ist die gesetzliche Unfallversicherung der Fa. G. GmbH aus S., bei der sowohl der geschädigte Zeuge N. als auch der Beklagte zu 1. beschäftigt waren. Der Beklagte zu 1. war als Vorarbeiter dem Zeugen N. gegenüber auf der Baustelle weisungsbefugt. Am 26.8.2010 waren der Zeuge N. und der Beklagte zu 1. für ihre Arbeitgeberin, die Fa. G. GmbH, auf einer auswärtigen Baustelle in R. tätig. Gegen 15:00 Uhr traten sie die Rückreise mit dem von ihrer Arbeitgeberin ihnen zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Betriebsfahrzeug des Fahrzeugtyps Daimler Chrysler Sprinter an. Das firmeneigene Fahrzeug, an dem ein Anhänger mit Kompressor angehängt war, wurde zunächst von dem Zeugen N. gelenkt, der über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügt. Der Beklagte zu 1. ist nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Er konsumierte während der Fahrt Alkohol. Nachdem der Zeuge N. eine Raststätte in L. angesteuert und sich an der dortigen Tankstelle drei Flaschen Bier gekauft hatte, übernahm der Beklagte zu 1. das Steuer des Fahrzeuges und setzte die Fahrt mit dem Zeugen N. als Beifahrer fort, obwohl er nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte. Als der Beklagte zu 1. etwa 25 Minuten nach der Pause in L. die Landstraße L ... von K. kommend in Fahrtrichtung W. mit einer Fahrtgeschwindigkeit von ca. 140 km/h befuhr, kam er in Höhe des Abschnittes 021 Kilometer 1,2 am Ausgang einer langgezogenen Linkskurve von der Fahrbahn nach rechts ab und geriet auf den rechten Randstreifen sowie Straßengraben. Bei dem Versuch gegenzulenken stellte sich das Fahrzeug quer zur Fahrbahn und wurde alsdann über die gesamte Fahrbahnbreite in den linken Straßengraben geschleudert, wo es sich insgesamt viermal überschlug, bevor es auf dem angrenzenden Acker zum Stehen kam. Der Zeuge N. wurde durch den Unfall als Fahrzeuginsasse erheblich verletzt. Er erlitt einen Lungenriss, eine dreifache Schulterfraktur sowie den Bruch zweier Rippen und wurde zur Erstversorgung in das Klinikum S. verbracht, wo er bis zum 1.9.2010 stationär behandelt wurde. Die ambulante Nachbehandlung einschließlich der physikalischen Therapie dauerte bis November 2010 an. Ein unfallbedingter Dauerschaden ist gleichwohl verblieben. Der Zeuge N. klagt über Kälteempfindlichkeit und ziehende Schmerzen im Schultergelenk nach Belastung. Seine Erwerbsfähigkeit ist dauerhaft um 10 % gemindert.
Bei dem Beklagten zu 1. wurde unmittelbar nach dem Unfall zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration die Entnahme einer Blutprobe angeordnet, deren Analyse ausweislich des Befundberichtes vom 2.9.2010 ergab, dass er zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 20:20 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,08 Promille aufwies. Das AG - Strafgericht - Gardelegen verurteilte den Beklagten zu 1. mit Strafbefehl vom 11.4.2011 (Gesch-Nr.: Cs 522 Js 15433/10) wegen Trunkenheitsfahrt, Fahren ohne Fahrerlaubnis und fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten N. zu einer Geldstrafe von 60 Tagessät...