Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Verletzte vor dem Unfall bis an die Grenze des Leistungssports körperlich betätigt und ist ihm auf Grund des erlittenen Körper- und Gesundheitsschadens nur noch normaler Freizeitsport möglich, kann dies ein höheres Schmerzensgeld verlangen. Bei polytraumatischen Unfallfolgen rechtfertigt dies im Zusammenhang mit posttraumatischen knöchernen Veränderungen, einer schwerwiegenden Verletzung der linken Hand des Linkshänders, einer Knieverletzung sowie dem Verlust der Milz ein Schmerzensgeld von 35.000,00 EUR.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 23.04.2014; Aktenzeichen 10 O 1112/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.4.2014 verkündete Urteil des LG Magdeburg in Ziff. 2. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 9.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.8.2009 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger ¼ und die Beklagten als Gesamtschuldner ¾. Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren zweiter Instanz wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Unter Abänderung der Streitwertentscheidung des LG im angefochtenen Urteil wird der Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren erster Instanz auf 21.653,40 EUR festgesetzt.
Gründe
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 II; 313a I 1; 543 I ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 1 EGZPO abgesehen.
I. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil des LG hält im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Schmerzensgeldes einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht nicht gänzlich stand (§ 513 I ZPO).
1. Der aus §§ 7 I; 18 I 1; 11 2 StVG; §§ 823 I; 253 BGB und § 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG sowie § 1 PflVG folgende Anspruch des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Zur Höhe des Schmerzensgeldes hat das LG unter Wiederholung der Feststellun-gen des Sachverständigen Dr. F. aus dem schriftlichen Gutachten vom 30.11.2012 (Seite 11) ausgeführt, der Kläger sei durch die Verletzungen des linken Daumens und Handgelenkes dauerhaft beeinträchtigt. Daumengrund- und -endgelenk seien nicht mehr voll beweglich. Als Linkshänder schränke das den Kläger beim Schreiben und bei sonstigen Tätigkeiten besonders ein. Schon jetzt seien arthritische Veränderungen eingetreten. Auch im rechten Kniegelenk lasse sich bereits eine posttraumatische Arthrose nachweisen. Dies gehe auf die Unfallverletzung zurück. Der Kläger könne nicht mehr, wie vor dem Unfall, Sport treiben. Dies rechtfertige - auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle - ein Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR.
Dem vermag sich der Senat nicht uneingeschränkt anzuschließen.
3. Das Berufungsgericht kann die Schmerzensgeldbemessung der ersten Instanz in vollem Umfange überprüfen und abändern, ohne an die dortige Schätzung gebunden zu sein. Hier verlangt der vom Kläger unfallbedingt davon getragene immaterielle Schaden billigerweise eine Entschädigung von 35.000,00 EUR (§ 287 I 1 ZPO i.V.m. § 253 BGB und § 11 2 StVG).
a) Bei der Bemessung des der Billigkeit entsprechenden Schmerzensgeldes sind die im Einzelfall heranzuziehenden verletzungsbedingten Nachteile nicht zu eng zu fassen. Der Ausgleich des Nichtvermögensschadens geht über die bloßen Schmerzen hinaus. Zu berücksichtigen sind die Schwere der Verletzungen, die Dauer der Leiden, der Verlauf des Heilungsprozesses, die Anzahl der Operationen, die verbliebenen Dauerschäden, das Alter des Geschädigten, entgangene Lebensfreude durch den Verlust bisher gepflegter Freizeitaktivitäten sowie berufliche Beeinträchtigungen. Dies hat das LG auch nicht verkannt. Seine Gewichtung der von ihm festgestellten immateriellen Unfallfolgen entspricht allerdings nicht der Billigkeit. Insbesondere die folgenden Umstände verlangen ein um 5.000,00 EUR höheres Schmerzensgeld:
aa) Der zurzeit des Unfalls fast 39 Jahre alte Kläger war nach den Feststellungen des LG, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat (§ 529 I Nr. 1 ZPO), bis über die Grenze zum Leistungssport hinaus sportlich aktiv. Diese zweifelsohne die bisherige Lebensführung prägende Freizeitbeschäftigung wurde dem Kläger mit dem Unfall genommen. Es ist nachvollziehbar, dass der Kläger den jetzt mit erheblichem Einsatz erreichten, aber auch nicht mehr zu überschreitenden Leistungsstand eines normalen Freizeitsportlers nicht als gleichwertig empfindet. Der damit verbundene Verlust an Lebensfreude muss sich spürbar auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken. Dabei darf allerdings auch nicht unberücksichtigt blieben, dass dieser Schaden mit der Zeit an Bedeutung verliert, weil an seine Stelle neue Aktivitäten und Interessen treten.
bb) Gleichfalls nicht unerheblich sind die vom Sachverständigen bereit...