Leitsatz (amtlich)

1. Hat sich ein Unternehmen vertraglich zur Errichtung einer Kälteanlage verpflichtet, einschließlich der Information über die Spezifikation der elektrischen Anschlüsse nach den Anforderungen der Kältetechnik, so gehört ohne ausdrückliche Vereinbarung zum vertraglichen Leistungsumfang nicht die Überprüfung der Dimensionierung der elektrotechnischen Anlage vom Grundstücksanschluss bis zu den Anschlusspunkten der Kälteanlagen.

2. Ein Schadensersatzanspruch, der auf einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Mitteilung von Bedenken gegen die Leistungserbringung Dritter im Gewerk ELT gestützt wird, setzt den Nachweis der positiven Kenntnis des Mangels bzw. eines - dem gleich stehenden - Sichverschließens vor der sich aufdrängenden Erkenntnis voraus.

3. Ist bei der Planung der Neuerrichtung einer elektrotechnischen Anlage bereits bekannt, dass dem aktuellen Bauabschnitt 1 ein Bauabschnitt 2 folgen wird, bei dem weitere Kälteanlagen angeschlossen werden, dann ist bei der Dimensionierung der Kabeltrassen das Anforderungsprofil der Gesamtanlage zugrunde zu legen.

4. Es entlastet den Planer einer elektrotechnischen Anlage bei einer Unterdimensionierung der Kabelquerschnitte mangels Berücksichtigung von Reduktionsfaktoren nicht, dass ihm Kabellisten des Errichters der Kälteanlagen nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegen haben sollen.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 10.08.2011; Aktenzeichen 3 O 278/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 10.8.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten zu 2) und zu 3) werden gesamtschuldnerisch dem Grunde nach verurteilt, 60 Prozent des Schadens zu tragen, welcher der Klägerin am 18./19.6.2003 wegen des Ausfalls der Anlage im Werk 3 zur Produktion von Steinofenbaguette, Sandwiches, Baguette und Ciabatta entstanden ist.

2. Der Beklagte zu 3) wird darüber hinaus dem Grunde nach verurteilt, 60 Prozent des Schadens der Klägerin zu tragen, der darüber hinaus durch den Schadensfall der Anlage im Werk 3 am 18./19.6.2003 adäquat kausal verursacht worden ist.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung des Beklagten zu 3) wird zurückgewiesen.

III.1. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 4), letztere einschließlich derjenigen als Streithelferin der Beklagten zu 1), in beiden Instanzen des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die weitere Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 4) haben die Klägerin zu 42,6 Prozent und der Beklagte zu 3) zu 57,4 Prozent zu tragen.

IV. 1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

2. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 4) und den Beklagten zu 3) durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) bzw. die Beklagte zu 4) bzw. der Beklagte zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

3. Der Beklagte zu 3) kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Tiefkühl-Backwaren herstellt. Sie betreibt in E. ihr Stammwerk, welches inzwischen aus mehreren Einzelwerken besteht. Sie begehrt von den vier Beklagten Ersatz ihrer materiellen Schäden aus einer Havarie am 18.6.2003 in Werk 3 ihres Stammwerks.

In den Jahren 1996/1997 hatte die Klägerin ihr Stammwerk um das Werk 2 erweitert. An diesem Bauvorhaben sowie an der Errichtung eines weiteren Produktionsstandorts in G. hatten die Beklagten zu 1), zu 3) und zu 4) bereits mitgewirkt. Danach sollte das Werk 3 im Stammwerk errichtet werden, wobei von Anfang an beabsichtigt war, das Vorhaben zeitlich und organisatorisch in zwei Baustufen zu unterteilen, die Baustufe 1 zur Errichtung der Produktionslinien 8 bis 10 und die Baustufe 2 zur Errichtung der Produktionslinie 7. Der Neubau des Werks 3 sollte in gleicher Weise erfolgen, wie sie sich bei den vorgenannten Bauvorhaben bewährt hatte.

In den Jahren 1999/2000 wurde die Baustufe 1 des Werks 3 realisiert. Die Klägerin beauftragte für die Errichtung der Kälteanlagen die I. (die Beklagte zu 4) in erster Instanz und Streithelferin der Beklagten zu 1) in zweiter Instanz, künftig: die Beklagte zu 4)) als Fachplanerin und die S. GmbH (später umfirmiert in R. GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte zu 1) ist; künftig vereinfacht: die Beklagte zu 1)) als Bauunternehmerin. Der Beklagten zu 4) oblag es danach auch, den Energiebedarf der Kälteanlage dem Elektroplaner mitzuteilen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 27.10.2005, GA Bd. II Bl. 38). Für das Gewerk...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge