Leitsatz (amtlich)

1. Im gesamtschuldnerischen Innenverhältnis zwischen einem niedergelassenen Facharzt und einem Krankenhaus, für das der Facharzt auf honorarärztlicher Basis tätig ist und Operationen durchführt, ist dann "ein anderes bestimmt" i. S. v. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der Honorararztvertrag vorsieht, dass der Arzt durch den Haftpflichtversicherer des Krankenhauses "gegen Ansprüche von Patientinnen/Patienten aus einer eventuell [eine] zivilrechtliche Haftung des Arztes begründenden Handlung/Unterlassung versichert" ist.

2. Hat der Facharzt als niedergelassener Arzt fehlerhaft eine Operationsindikation gestellt und den Patienten fehlerhaft aufgeklärt und ist ihm zudem eine fehlerbehaftete Operationsdurchführung in dem Krankenhaus, für das er honorarärztlich tätig geworden ist, anzulasten, so liegt eine einheitliche Behandlung mit Schwerpunkt auf der Operationsdurchführung vor, wenn aus der Warte des Patienten klar war, dass es sich bei der im Rahmen der ambulanten Behandlung in Aussicht genommenen Operation um eine solche handeln wird, die der niedergelassene Facharzt als Honorararzt in dem Krankenhaus vornimmt. Die Elemente Indikationsstellung, OP-Aufklärung und Operationsdurchführung bilden in einer solchen Sachverhaltskonstellation (Personenidentität von ambulant vorbehandelndem, niedergelassenen Facharzt einerseits und honorarärztlichem Operateur im Krankenhaus andererseits) eine untrennbare Einheit, die ihren Schwerpunkt im Operationsgeschehen hat, das der Facharzt als Honorararzt durchführt.

3. In der Folge ist ein gesamtschuldnerischer Innenausgleichsanspruch des Krankenhauses (bzw. hier seines Haftpflichtversicherers nach Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 VVG) gegen den niedergelassenen Facharzt ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 12.08.2016; Aktenzeichen 4 O 599/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.03.2018; Aktenzeichen VI ZR 151/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 12. August 2016 (Az. 4 O 599/15) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 110.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer des Evangelischen Krankenhauses P. Stift in W., für das der Beklagte aufgrund eines am 25. August 2009 geschlossenen Vertrages (Anlage K 1 - Anlagenband) als Honorararzt tätig ist. Die honorarärztliche Tätigkeit des Beklagten ist von der Haftpflichtversicherung der Klägerin gedeckt

§ 6 des Honorarvertrages führt hierzu aus:

"Der Arzt ist im Rahmen der nach diesem Vertrag für das Ev. KH P. Stift zu erbringenden ärztlichen Leistungen durch den Haftpflichtversicherer des Ev. KH P. Stift gegen Ansprüche von Patientinnen/Patienten aus einer eventuellen zivilrechtlichen Haftung des Arztes begründenden Handlung/Unterlassung versichert. Das Ev. KH P. Stift wird diese Vereinbarung dem Haftpflichtversicherer vorlegen und sich den Deckungseinschluss in die Haftpflichtversicherung bestätigen lassen."

Der Beklagte ist außerdem in W. als niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie in eigener Praxis tätig. Sein Haftpflichtversicherer als ambulant tätiger, niedergelassener Facharzt ist die H. Versicherungs AG.

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten "aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht ... einen Ausgleichsanspruch" für Zahlungen geltend, die sie für den Patienten S. Sch. (im Folgenden: Patient) aufwendete, der ab dem 12. Oktober 2009 vom Beklagten in dessen Praxis und ab dem 09. September 2010 im P. Stift operativ behandelt worden war.

Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, der Beklagte habe anlässlich einer Behandlung des Patienten wegen anhaltender Rückenbeschwerden in seiner Praxis fehlerhaft die Indikation zu einer Diskektomie-Operation (LWK 4/5) mit Implantation eines PLIF-Cages bds. gestellt und zudem die - nicht indizierte - Operation vom 10. September 2010 im P. Stift fehlerhaft durchgeführt. Bei korrekter Indikationsstellung wäre es, so die Klägerin, zu dem operativen Eingriff vom 10. September 2010 nicht gekommen. Auch wären dem Patienten dann die Revisionsoperationen vom 13. September 2010 (ebenfalls vom Beklagten im P. Stift durchgeführt) und vom 16. September 2010 (ohne Beteiligung des Beklagten im Klinikum D. durchgeführt) erspart geblieben. Vom Patienten erlittene Dauerschäden hingen maßgeblich mit einer durch die erste Operation hervorgerufenen Dura-Verletzung zusammen (deren Auftreten als solches unstreitig ist). Die Klägerin hat gemeint, es sei entgegen der Auffassung der H. Versicherungs AG (vgl. dazu die Schreiben vom 14. November 2013, 18. März 2014 und 12. Mai 2014...

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