Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherungsvertreter, der sich unter Offenlegung seiner Agenturbindung für die Vermittlung einer Netto-Police vom Versicherungsnehmer formularmäßig einen eigenständigen Vergütungsanspruch versprechen lässt, handelt nicht unlauter. Er verstößt weder gegen Marktverhaltensregeln, die sich aus seiner gewerberechtlichen Genehmigung oder aus dem Verbot der Verwendung unwirksamer AGB ergibt, noch stellt die Vereinbarung einer maklertypischen, vom Schicksalsteilungsgrundsatz abweichenden Vergütung ein irreführendes Verhalten dar.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 14.10.2011; Aktenzeichen 3 O 38/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 14.10.2011 - 3 O 38/11 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Vermittlung von Nettopolicen bei gleichzeitiger Begründung einer Honorarvereinbarung zwischen Versicherungsvertreter und Kunde.
Beide Parteien vermitteln gewerbsmäßig Versicherungsverträge, verfügen jeweils über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO und sind als Versicherungsvertreter im Versicherungsvermittlungsregister eingetragen.
Ein Mitarbeiter der Beklagten händigte der Kundin M. R. am 26.8.2010 folgende "Erstkontaktinformation" (Anlage K 3) aus, in der es auszugsweise heißt:
"Meldung und Eintrag ins Vermittlerregister: Die V. GmbH ist im Vermittlerregister als erlaubnispflichtiger Versicherungsvertreter nach § 34d Abs. 1 GewO bei der zuständigen IHK gemeldet und nach § 34d Abs. 7 GewO unter der Registernummer ... eingetragen. [...]"
Anschließend vermittelte er der Kundin eine fondsgebundene Rentenversicherung der A. Lebensversicherung S. A. Dabei handelt es sich um eine Nettopolice, die keine Abschlusskosten enthält. Die Beklagte schloss zugleich im eigenen Namen eine Vergütungsvereinbarung (Anlage K 6) mit der Kundin, in der es auszugsweise heißt:
"1. Der Versicherungsvermittler ist gewerberechtlich als Versicherungsvertreter von Lebensversicherungen für die A. Lebensversicherung S. A. tätig. In dieser Eigenschaft vermittelt er den Kunden die fondsgebundene Rentenversicherung mit wählbaren Zusatzversicherungen.
2. Der Versicherungsvermittler erhält vom Kunden für die Vermittlung und für seine Beratungs- und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des nebenstehenden Versicherungsvertrages eine einmalige Vergütung. Der Versicherungstarif enthält keine Abschlusskosten; der Versicherungsvermittler erhält deshalb von der Versicherungsgesellschaft für seine Tätigkeit keine Provisionen oder sonstige Vergütungen. [...]
4. Der Anspruch des Versicherungsvermittlers auf Zahlung der Vergütung entsteht mit dem nachfolgend beschriebenen Zustandekommen des vom Kunden beantragten Versicherungsvertrages. Der Versicherungsvertrag kommt zustande, wenn die Versicherungsgesellschaft die Annahme des Versicherungsvertrages durch Zusendung des Versicherungsscheines erklärt und der Kunde sein gesetzliches Widerrufsrecht vom Versicherungsvertrag nicht wirksam ausgeübt hat.
5. Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit dieser Vergütungsvereinbarung vom Versicherungsvertrag ist der Kunde zur Zahlung der Vergütung auch im Falle der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages verpflichtet. Die Vergütung ist jedoch bei wirksamer Anfechtung oder bei einer wirksamen Ausübung des Widerrufs nicht geschuldet. [...]"
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat es der Beklagten antragsgemäß untersagt, als registrierter Versicherungsvertreter gesonderte Vereinbarungen mit (potentiellen) Versicherungsnehmern zu schließen, wonach diese sich verpflichten, eine Provision für die Vermittlung eines Versicherungsvertrages an die Beklagte zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Vermittlung von Nettopolicen bei gleichzeitigem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung durch einen Versicherungsvertreter wettbewerbswidrig sei. Hierdurch werde nämlich beim Kunden der Eindruck erweckt, die Beklagte sei nicht Versicherungsvertreterin, stehe also nicht im Lager des Versicherers, sondern sei Versicherungsmakler, der sich allein an den Interessen des Kunden orientiere.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass § 34d GewO nur den Marktzugang regele, nicht jedoch das im Wettbewerbsrecht maßgebliche Marktverhalten. Jedenfalls habe die Beklagte nicht gegen diese Vorschrift verstoßen, weil sie - in Übereinstimmung mit ihrer Erla...