Leitsatz (amtlich)

1. In § 10 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (Landespressegesetz) ist der Gegendarstellungsanspruch der Person geregelt, die durch eine in einem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist.

2. Der verantwortliche Redakteur oder der Verleger kann den Abdruck einer Gegendarstellung in der Presse nicht nur nach § 10 Abs. 2 S. 1 Landespressegesetz verweigern, sondern auch dann, wenn die betroffene Person kein berechtigtes Interesse am Abdruck einer Gegendarstellung hat.

3. Die Einwendung des fehlenden berechtigten Interesses ist weder durch den Wortlaut des § 10 des Landespressegesetzes noch nach dessen Sinn und Zweck ausgeschlossen.

4. Der Ausschluss des Gegendarstellungsanspruches mangels berechtigten Interesses ist zwar im Gegensatz zu den Pressegesetzen der meisten anderen Bundesländer in § 10 Landespressegesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Die Einwendung des fehlenden berechtigten Interesses ist indes aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz abzuleiten, dass die Durchsetzung eines Anspruchs ohne berechtigtes Interesse grundsätzlich rechtsmissbräuchlich ist. Die Rechtsverfolgung verdient in solchen Fällen keinen Rechtsschutz.

5. Daraus folgt, dass nicht die von der Presseveröffentlichung betroffene Person die Tatsachen darlegen und beweisen muss, die ihr berechtigtes Interesse begründen. Vielmehr muss der verantwortliche Redakteur oder der Verleger die Umstände darlegen und beweisen, aus denen das Gericht auf das fehlende berechtigte Interesse der betroffenen Person schließen kann.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 23.09.2005; Aktenzeichen 5 O 290/05)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 23.9.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Halle - 5 O 290/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) ist Herausgeberin der M. Zeitung. In deren Ausgabe Q. vom 18.8.2005 ist unter der Überschrift "Kreis schließt das Tierheim" ein Artikel abgedruckt worden, der sich mit der Verfügung des Landkreises Q. zur Schließung des Mg. Tierheimes des Klägers beschäftigt. Der Wortlaut des Artikels ist auf den S. 2-4 des vom Kläger in diesem Verfahren angefochtenen Urteils des LG Halle vom 23.9.2005 zitiert.

Der Verfügungskläger (künftig: Kläger) hat unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seines Vorsitzenden A. K. geltend gemacht, folgende in dem Artikeltext enthaltenen Tatsachenbehauptungen seien unwahr.

"Schon seit einigen Tagen hängt am Tor der Einrichtung W. ein stabiles Schild mit dem Vermerk: Zur Zeit geschlossen. Den Hinweis hat der Tierschutzverein, der Träger der Anlage ist, nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht."

"Dem Verein werde damit der Betrieb sowie die Neuaufnahme und die Abgabe von Tieren untersagt. Grund sei ein ganzer Katalog von Beanstandungen, der letztlich das Faß zum Überlaufen gebracht habe. Aufgelistet sind sowohl hygienische Mängel, Missachten der Quarantänevorschriften, unkontrollierte Rudelhaltung und damit verbundene Verletzungen von Tieren, aber auch die Aufnahme von ausländischen Hunden ohne gültige Papiere ..."

Hierzu begehrt der Kläger den Abdruck folgender Gegendarstellung:

"Gegendarstellung zum Artikel "Kreis schließt das Tierheim" in der M. Zeitung vom 18.8.2005, S. 9

Unwahr ist die Behauptung, das Schild mit dem Vermerk: Zur Zeit geschlossen, habe der Tierschutzverein nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht. Richtig ist, dass der Tierschutzverein dieses Schild ausschließlich aus eigenen Stücken angebracht hat.

Unwahr ist weiterhin die Behauptung, dem Verein sei der Betrieb sowie die Neuaufnahme, und die Abgabe von Tieren untersagt. Richtig ist, dass die Abgabe von Tieren gerade nicht untersagt ist.

Falsch ist weiterhin die Behauptung, Grund sei ein ganzer Katalog von Beanstandungen, der das Faß zum Überlaufen gebracht habe sowie die angebliche Auflistung hygienischer Mängel, Missachten der Quarantänevorschriften, unkontrollierte Rudelhaltung, Aufnahme von ausländischen Hunden ohne gültige Papiere. Wahr ist, dass Grund für die Untersagungsverfügung die zwischenzeitlich abgelaufene und durch den Landkreis noch nicht erneuerte Erlaubnis ist.

Mg., 19.8.2005

A. K. als Vorstandsvorsitzender des Tierschutzvereins Q. e.V."

Die Beklagte hatte den Abdruck dieser Gegendarstellung am 23.8.2005 abgelehnt, da "die an eine Gegendarstellung gem. § 10 Pressegesetz für das Land Sachsen-Anhalt zu fordernden Voraussetzungen nicht erfüllt sind".

Im daraufhin vom Kläger wegen seines Gegendarstellungsverlangens angestrengten Eilverfahren hat die Beklagte beantragt, das Begehren des Klägers zurückgewiesen. Der erste Teil der Gegendarstellung beziehe sich auf die Meinungsäußerung, dass der Kläger den Hinweis auf die Schließung des Tierheims "nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht" habe. Der vom Kläger angestrebten Entgegnung hierauf fehle zudem das berechtigte Interesse.

Auch der dritte Absatz des Entgegnungsverlangens des Klägers b...

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