Leitsatz (amtlich)
1. Die mündliche Änderung eines befristeten Mietvertrags mit einer qualifizierten Schriftformklausel ist nicht wirksam und führt daher nicht gemäß §§ 550, 578 BGB zu einer Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis, das jederzeit ordentlich gekündigt werden könnte.
2. Eine Partei ist nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf einen Formmangel nach § 550 BGB zu berufen,
a) wenn die Parteien im Vertrag für den Fall eines Formmangels eine Nachholung vereinbart haben;
b) wenn im Vertrag die Einhaltung der Schriftform und der Verzicht auf die Berufung auf § 550 BGB vereinbart ist;
c) wenn sich die Partei auf den Formmangel beruft, die zuvor längere Zeit besondere Vorteile aus dem Vertrag gezogen hat oder durch eine nicht formgerechte Vertragsänderung begünstigt wird.
3. Folgende in einem Gewerbemietvertrag vorgesehen Klausel
"Kommt die Mieterin ihrer Betriebspflicht nicht nach, so hat sie für jeden Tag des Verstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 % der Monatsmiete an die Vermieterin zu zahlen."
ist unwirksam.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 16.01.2012; Aktenzeichen 3 O 1176/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 16. Januar 2012 - Az.: 3 O 1176/11 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
a) 1.529,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2011;
b) 3.555,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. August 2011 sowie
c) 360,22 Euro seit 28. August 2011
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 3/5 und der Beklagten zu 2/5 zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.493,70 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung unzweifelhaft nicht gegeben ist.
B. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie zumindest teilweise Erfolg und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung, soweit diese auf einer entscheidungserheblichen Rechtsverletzung nach §§ 513, 546 ZPO beruht. Die Klägerin kann Miete für den Zeitraum vom 1. bis 14.07.2011 (dazu I.), Schadensersatz für die Zeit vom 15.07. bis 31.08.2011 (dazu II.) sowie Nebenkosten für das Jahr 2009 (dazu III.) verlangen, nicht jedoch die Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen die Betriebspflicht in der Zeit vom 20.06. bis 14.07.2011 (dazu IV.).
I. Die Beklagte ist nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, die Miete für ihr Lokal im Einkaufspark H. für die Zeit vom 01. bis 14.07.2011 in Höhe von 1.529,50 Euro zu zahlen.
1. Die Parteien waren durch einen Mietvertrag miteinander verbunden. Die ursprünglich zwischen der C. und der Beklagten geschlossene Vereinbarung vom 27./28.10.2006 (Anlage K 1) ist durch die trilaterale erste Nachtragsvereinbarung (Anlage K 2) auf die E. KG übertragen worden, die identitätswahrend auf den Namen der Klägerin umfirmiert hat.
2. Der Mietvertrag ist nicht bereits durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 30.06.2012 beendet worden. Denn diese Erklärung war nach § 542 Abs. 2 BGB (dazu a) sowie nach § 242 BGB (dazu b) unwirksam.
a) Aus § 542 Abs. 2 BGB folgt, dass befristete Mietverhältnisse nicht ordentlich gekündigt werden können. Weil der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag nach § 3 Nr. 1 bis zum 31.12.2011 befristet war, konnte die Beklagte ihn nur aus wichtigem Grund vorzeitig beenden. Die in § 3 Nr. 1 des Mietvertrages vorgesehene Befristung ist durch die mündliche Vereinbarung vom 11.02.2009 über die Ermäßigung der Miete von 2.296,00 Euro auf 1.500,00 Euro nicht gegenstandslos geworden. Zwar sieht der gesetzliche Formzwang nach §§ 550, 578 BGB vor, dass wesentliche Änderungen eines schriftlichen Vertrages, die lediglich mündlich erfolgen und für länger als ein Jahr Geltung haben sollen, dazu führen, dass der ursprünglich formgerechte Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist (vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl., § 550 Rn. 18 m.w.N.) und sich demgemäß auch ordentlich kündigen lässt. Allerdings ist die mündliche Vereinbarung der Parteien vom 11.02.2009 wegen Verstoßes gegen die qualifizierte Schriftformklausel in § 31 Nr. 5 des Mietvertrages nicht wirksam geworden und konnte daher die in §§ 550, 578 BGB vorgesehenen Rechtsfolgen nicht auslösen. Anders als die einfache vertragliche Schriftform, die durch mündliche Vereinbarung konkludent abbedungen werden kann, ist dies bei einer qualifizierten Schriftformklausel, die also auch für den Formwechsel eine schriftl...