Leitsatz (amtlich)
1. Als Folge einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchs im Rahmen einer Lastschriftreiterei kommt nicht nur ein Schadensersatzanspruch der Gläubigerbank (erste Inkassostelle) gegen den Zahlungsschuldner gem. § 826 BGB in Betracht, sondern auch Ansprüche der Gläubigerbank gegen die Zahlstelle.
2. Die Schuldnerbank handelt sittenwidrig, wenn sie im eigenen Interesse den Schuldner zum Widerspruch animiert, um sich selbst daraus Vorteile zu verschaffen. Dazu bedarf es nicht der Ausübung eines Zwanges auf den Zahlungsschuldner.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 3 O 147/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.11.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Halle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Ersatz des Schadens, der ihr nach einer sogenannten Lastschriftreiterei durch die Rückgabe nicht eingelöster Lastschriftaufträge entstanden ist.
Die Klägerin, eine Volks- und Raiffeisenbank, führte für die Firma T. ein Girokonto mit der Nr. … Die Ehefrau des Kontoinhabers U.S., K.S., unterhielt ein Girokonto bei der beklagten Sparkasse unter der Nr. … Sie war außerdem als Angestellte der Beklagten tätig.
Im November 1999 begann Herr U.S., Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren auf das Konto seiner Ehefrau bei der Beklagten zu ziehen, was zu kurzfristigen Gutschriften auf seinem Konto bei der Klägerin führte. In jeweils ähnlicher Höhe zog auch Frau S. Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren auf das Konto ihres Ehemanns, so dass auch auf ihrem Konto jeweils die entsprechenden Gutschriften verbucht wurden. Die wechselseitigen Lastschriften beider Eheleute erfüllten den Tatbestand der sogenannten Lastschriftreiterei, die durch die Klägerin am 26.9.2000 bemerkt wurde.
Noch am selben Tage unterrichtete die Klägerin den Vorstand der Beklagten, was zu einem sofortigen Ausscheiden der Frau S. aus ihrem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten führte. Ebenfalls am 26.9.2000 ließ die Beklagte Frau S. vorsorglich eine Erklärung unterschreiben, nach deren Inhalt die Beklagte berechtigt sein sollte, im Falle von Rückbuchungen durch die Klägerin auf Grund von Widersprüchen der Firma T. ihrerseits Rückbuchungen vorzunehmen.
In den folgenden Tagen haben beide Parteien die jeweils jüngsten Lastschriften storniert und zurückgegeben. Bei den Lastschriften, die von der Klägerin storniert und zurückgegeben wurden, handelte es sich um solche, die am 26., 27. oder 28.9.2000 der Klägerin vorgelegt worden waren und die jeweils innerhalb von zwei Tagen mangels Deckung zurückgegeben wurden. Die Beklagte gab ebenfalls mehrere Lastschriften zurück. Darunter befand sich ein Lastschriftauftrag (im Folgenden kurz: Lastschrift Nr. 1) i.H.v. 177.492 DM, der bei der Klägerin am 21.9.2000 eingegangen und dem Konto der Frau S. bei der Beklagten am 22.9.2000 belastet worden war. Die Belastungsbuchung stornierte die Beklagte am 28.9.2000; die Rückbuchung bei der Klägerin erfolgte am 2.10.2000. Ein weiterer Lastschriftauftrag (im Folgenden kurz: Lastschrift Nr. 2) i.H.v. 177.344 DM wurde bei der Klägerin am 22.9.2000 durch Herrn S. eingereicht. Die Belastungsbuchung bei der Beklagten erfolgte am 25.9.2000 und wurde durch die Beklagte am 27.9.2000 storniert. Die Rückbuchung bei der Klägerin datiert vom 28.9.2000. In beiden Rücklastschriftmeldungen gab die Beklagte als Rückgabegrund „wegen Widerspruchs” („w.W.”) an.
Nach Abschluss der gegenseitigen Lastschriftrückgaben stand das bei der Klägerin geführte Konto des Herrn S. am 16.10.2000 mit einem Betrag von 183.652,94 DM im Soll. In der Folgezeit leisteten die Eheleute S. auf Grund einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der Klägerin bis zum April 2001 Zahlungen i.H.v. insgesamt 3.600 DM.
Die Klägerin hat auf Grund der beiden oben genannten Lastschriften Nr. 1 und Nr. 2 Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte mit der Begründung geltend gemacht, diese habe den Rückgabegrund „wegen Widerspruchs” unberechtigterweise genutzt, um Lastschriften zurückzugeben, die auf Grund Ablaufs der zweitägigen Frist nicht mehr ohne Weiteres hätten zurückgegeben werden können. Hierzu hat sie behauptet, die Beklagte habe Frau S. unter Druck gesetzt, um sie zum Widerspruch gegen die Lastschriftbuchungen zu bewegen. Diese Vorgehensweise der Beklagten, so hat die Klägerin gemeint, verstoße gegen die guten Sitten und gegen die Regeln des Lastschriftabkommens, weil die Beklagte es durch die Herbeiführung der Widerspruchserklärungen erreicht habe, Lastschriften auf Kosten der Klägerin zurückgeben zu können, die dem Konto der Frau S. bereits mehr als zwei Tage zuvor belastet worden waren.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, 180.052,94 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängi...