Verfahrensgang
LG Dessau (Aktenzeichen 8 O 1233/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 1) und zu 4) das am 27.8.1999 verkündete Urteil des LG Dessau, Az.: 8 O 1233/95, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und zu 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Schmerzensgeld-Kapitalbetrag iHv. insgesamt 500.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 7.2.1996 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und zu 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 66.600 DM (rückständige Schmerzensgeld-Rente) zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und zu 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeld-Rente i.H.v. 600 DM, beginnend ab dem 1.11.2001 und zahlbar jeweils vierteljährlich im Voraus, jeweils zum 1.2., 1.5., 1.8. und zum 1.11. eines jeden Jahres, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte ärztliche Behandlung ihrer Mutter sowie von ihr selbst anlässlich der Entbindung in der Zeit vom 1.8.1992 bis zum 2.8.1992, gegen 05:00 Uhr, resultieren und die nicht mit der Netzhauterkrankung und der dadurch eingetretenen Blindheit zusammen hängen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Klägerin auf die gerichtlichen Kosten und Auslagen einen Betrag i.H.v. 20 DM und auf die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 2) und zu 3) jeweils einen Betrag i.H.v. 900 DM (brutto) zu zahlen; im Übrigen haben die Beklagten zu 1) und zu 4) die weiteren gerichtlichen Kosten, die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin sowie ihre eigenen außergerichtlichen Auslagen zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu 1) und zu 4) zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 1) und zu 4) können die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 650.000 DM abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Ihnen bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Beschwer der Beklagten zu 1) und zu 4) übersteigt jeweils 60.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht in zweiter Instanz gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 4) Ansprüche auf Schadenersatz wegen ärztlicher Behandlungsfehler anlässlich ihrer Geburt am 1.8.1992 im Städtischen Klinikum – Frauenklinik – in D. geltend; sie begehrt Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente sowie die Feststellung der Einstandspflicht beider Beklagter für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin aus dieser fehlerhaften Behandlung. Die Klage gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) ist in erster Instanz abgewiesen worden; dieser Teil der Entscheidung ist bereits in Rechtskraft erwachsen.
Im Ergebnis der persönlichen Anhörung der Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin und der Beklagten zu 1) durch den Senat am 10.9.2001 in Anwesenheit und unter teilweiser Einschaltung der vorgerichtlichen und gerichtlichen Sachverständigen und unter Einbeziehung des schriftsätzlichen Vorbringens, soweit die Prozessparteien hiervon in ihrer Anhörung vor dem Senat nicht abgewichen sind, ist von folgendem Sach- und Streitstand auszugehen:
Die Mutter der Klägerin stellte sich während ihrer Schwangerschaft am 1.8.1992 gegen 9:30 Uhr in der B.-Klinik in W. bei Dr. med. H.K., damals Assistenzärztin, vor, weil sie das Gefühl hatte, dass etwa seit 04:00 Uhr Fruchtwasser abgegangen sei. Die Mutter der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt. Ihre letzte Regel war am 2.2.1992 aufgetreten, woraus sich als voraussichtlicher Geburtstermin der 9.11.1992 errechnete; mithin befand sich die Mutter der Klägerin nach der Regel in der 26. Schwangerschaftswoche (25 vollendete Schwangerschaftswochen und 5 Tage). Dr. K. untersuchte die Mutter der Klägerin klinisch. Dabei stellte sie fest, dass die Fruchtblase vorzeitig gesprungen, das Kindsköpfchen bereits sehr tief gelegen und der Muttermund 2 cm geöffnet war; es ging klares Fruchtwasser ab. Mittels Cardiotokografie (im Folgenden: CTG) stellte sie weiter fest, dass der Fetus regelgerechte Herztöne aufwies und bei der Kindesmutter keine Wehentätigkeit vorlag. Eine von ihr ebenfalls durchgeführte Ultraschalluntersuchung zeigte fetale Bewegungen und ergab eine Femurlänge (d.h. Länge des Oberschenkelknochens) beim Fetus von 4,6 cm, die einem Gestationsalter von 25 vollendeten Schwangerschaftswochen und 3 Tagen entspricht; danach war der Fetus regelgerecht entwickelt. Der biparietale (d.h. der quere Scheitelbein-)Kopfdurchmesser wurde mit 6,1 cm ermittelt, was einem Gestationsalter von 23 vollendeten Schwangerschaftswoc...