Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem Vertrag über die entgeltliche Übernahme von Steuerberatungsmandaten die Höhe des Kaufpreises am Netto-Jahresumsatz des letzten vollen Geschäftsjahres orientiert, so erfüllt eine Vertragsklausel über eine nachträgliche Kaufpreisreduzierung den objektiven Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB, die bestimmt, dass jeglicher Umsatzrückgang im ersten Jahr nach Übernahme der Mandate, unabhängig von seinem Grund und unabhängig von einem Vertreten-müssen des Veräußerers, in voller Höhe zur Reduzierung des Kaufpreises führt (Fortführung des OLG Naumburg, Urt. v. 19.7.2005 - 1 U 83/04, MDR 2006, 180 = OLGReport Naumburg 2006, 39).
2. Zu den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes des § 138 Abs. 1 BGB (hier: abgelehnt).
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 01.07.2005; Aktenzeichen 5 O 1251/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg - Einzelrichterin - vom 1.7.2005 aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung der Verhandlung und erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung des LG vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Parteien übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt eine Steuerberatergesellschaft mit mehreren Niederlassungen, die Beklagten sind Rechtsanwälte in überörtlicher Sozietät.
Am 31.12.1999 schlossen die Parteien zwei Verträge, mit denen die Klägerin die Steuerberatungsmandate, die die Beklagten bis dahin an ihren Standorten in M. und J. betreuten, erwarb. Den Verträgen waren Mandantenlisten beigefügt, die in gewerblich tätige Mandanten und Arbeitnehmermandate unterteilt waren. Die Verträge enthielten außerdem eine Regelung, wonach der jeweilige Kaufpreis von 147.000 EUR bzw. 115.000 EUR nachträglich zu reduzieren ist, wenn der kalkulierte Umsatz der veräußerten Mandate im ersten Jahr nach dem Verkauf ersatzlos sinken sollte.
Auf Grund dieser Klausel hat die Klägerin, die ohnehin nur die Hälfte der Kaufpreissummen gezahlt hatte, eine darüber hinausgehende Kaufpreisrückforderung i.H.v. 26.842,53 EUR geltend gemacht, die sie mit Umsatzrückgängen begründet hat.
Mit Versäumnisurteil vom 27.6.2003 hat das LG die auf Zahlung von 26.842,54 EUR nebst 9,5 % Zinsen seit dem 1.6.2001 gerichtete Klage abgewiesen. Auf den rechtzeitigen Einspruch der Klägerin hat die Einzelrichterin Beweis erhoben über die streitigen Umsatzentwicklungen durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der benannten Mandanten, die jedoch überwiegend keine Angaben gemacht haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die angefochtene Entscheidung vom 22.12.2004 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit Urteil vom 1.7.2005 hat das LG das Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis des Umsatzrückgangs nicht erbracht habe. Da die große Mehrheit der Zeugen auf die schriftliche Anfrage des Gerichts nicht geantwortet habe, sei nur ein geringer Teil der Umsatzrückgänge bewiesen. Außerdem hätten die Aussagen der vernommenen Zeugen auch keine Bestätigung des Rückforderungsbetrages von 26.842,54 EUR erbracht. Bereits die Nichtbestätigung nur eines vorgetragenen Einzelumsatzes, so das LG, führe dazu, dass der Klägerin der Nachweis des behaupteten Gesamtumsatzes für das Jahr 2000 in Bezug auf die Arbeitnehmerveranlagung nicht gelungen sei. Daher müsse auch ihren weiteren Beweisantritten nicht nachgegangen werden, denn - so hat das LG wohl gemeint - die volle Klageforderung werde sie in jedem Fall nicht mehr nachweisen können.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt in erster Linie die Verletzung prozessualer Verfahrensgrundsätze und wirft dem LG vor, den angetretenen Zeugenbeweis nur unvollständig erhoben zu haben, nachdem sich einige, beispielhaft vernommene Zeugen nicht hätten erinnern können. Nachdem die Mehrzahl der schriftlich angehörten Zeugen nicht geantwortet habe, hätte das LG diese Zeugen zur Vernehmung laden müssen, wie es die Klägerin am 15.2.2005 beantragt habe.
Die Klägerin ist außerdem der Ansicht, die Beweislast liege ohnehin bei der Beklagten, da es sich bei nicht getätigten Umsätzen um negative Tatsachen handele. Sie kritisiert außerdem die Beweiswürdigung des LG, das die fehlerhafte Umsatzberechnung des Zeugen Orlowski übernommen habe.
Auf den Hinweis des Senats vom 16.1.2006 hat die Klägerin auch zur Frage der Sittenwidrigkeit der Kaufverträge vorgetragen und erläutert, dass sie die Beklagten in keiner Weise unter Druck gesetzt und auch deren wirtschaftliche Verhältnisse nicht gekannt hätte. Bei der Bewertung des Mandantenstammes sei eine Bandbreite verwandt worden, die üblicherweise bei Kanzleikäufen veranschlagt werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Magdeburg vom 1.7.2005 abzuändern, das Versäumnisurteil vom 27.6.2003 aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläge...