Leitsatz (amtlich)
Kommt es bei Dunkelheit auf einer unbeleuchteten Landstraße zu einem Unfall mit einem dunkel bekleideten Fahrradfahrer, dessen Rad schwarz und unbeleuchtet ist, kann dies trotz Verstoß des von hinten auffahrenden Pkw-Fahrers gegen das Sichtfahrgebot zu einer überwiegenden Haftung des Fahrradfahrers (hier: ¾ zu ¼) führen.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 26.05.2011; Aktenzeichen 5 O 1696/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 26.5.2011 verkündete Urteil des LG Magdeburg, Az.: 5 O 1696/10, teilweise abgeändert und der Kläger unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Beklagten zu 1 weitere 3.874,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.3.2009 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden bezüglich der Klage nach einem Teilstreitwert von 11.674,- EUR zwischen dem Kläger einerseits und den Beklagten zu 1 und 2 andererseits gegeneinander aufgehoben.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz bezüglich der Widerklage, das heißt bis zu dem Gesamtstreitwert von bis zu 22.000,- EUR, tragen der Kläger zu 70 % und der Beklage zu 1 zu 30 %.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger zu 56 % und der Beklagte zu 1 zu 44 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Nach Erledigung der Klageforderung in erster Instanz durch einen gerichtlich protokollierten Teilvergleich vom 24.3.2011 (Bl. 1/2 Bd. II d.A.), in dem die Kosten der gesamtschuldnerisch gegen den Beklagten zu 1 (i. F.: der Beklagte) und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer, die Beklagte zu 2 (i. F.: die Beklagte), angestrengten Klage und des Teilvergleichs gegeneinander aufgehoben wurden, macht nur noch der Beklagte wegen des seinerseits erlittenen Schadens im Wege der Widerklage gegen den Kläger Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 21.11.2008 geltend.
An jenem Tage kam es gegen 17:05 Uhr auf der L. nach dem Ortsausgang W. Richtung S. zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Beklagte, welcher einen VW T5, amtliches Kennzeichen:..., mit einer Geschwindigkeit von zumindest 80 km/h führte, den vor ihm in gleicher Richtung mit einem Mountainbike fahrenden Kläger übersah und mit diesem kollidierte. Der Unfall ereignete sich nach einer leichten Linkskurve auf einem geraden Streckenabschnitt, der keine Straßenbeleuchtung aufwies und für den die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht beschränkt war.
Der Beklagte fuhr mit Abblendlicht und wurde unmittelbar vor dem Zusammenstoß durch mehrere im Gegenverkehr passierende Fahrzeuge geblendet. Der durch den Unfall schwerverletzte Kläger trug dunkle, nicht reflektierende Oberbekleidung in Gestalt einer dunklen Hose, einer dunklen Jacke und einer Mütze. Sein Mountainbike war im Wesentlichen schwarz lackiert und wies keine Reflektoren auf.
Der Beklagte hat behauptet, der Kläger sei ohne eingeschaltete Fahrradbeleuchtung gefahren und für ihn vor dem Unfall nicht bemerkbar gewesen. Vor diesem Hintergrund müsse der Kläger für seinen gesamten Schaden aufkommen.
An Schadensersatz hat er neben Fahrzeugreparaturkosten von 7.874,46 EUR, eine Nutzungsausfallentschädigung von 1.386,- EUR (= 21 Tage zu je 66 EUR), eine Kostenpauschale von 35,- EUR, Schmerzensgeld von 750,- EUR wegen einer angeblich für ihn mit dem Unfallgeschehen verbundenen traumatischen Belastung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR geltend gemacht.
Der Beklagte hat beantragt, den Kläger zu verurteilen, an ihn 10.045,46 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.3.2009 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Er hat behauptet, vorschriftsmäßig mit eingeschalteter Fahrradbeleuchtung am rechten Fahrbahnrand gefahren zu sein, wohingegen der Beklagte sein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit geführt und gegen das sog. Sichtfahrgebot verstoßen habe. Zudem habe der Beklagte aber auch deshalb gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen, weil er nach rechts keinen ausreichenden Abstand zum Fahrbahnrand eingehalten habe.
Das LG hat mittels Vernehmung von fünf Zeugen Beweis zu dem Unfallgeschehen erhoben und dem Beklagten mit Urteil vom 26.5.2011 unter Beschränkung der Unkostenpauschale auf einen Betrag von maximal 20,45 EUR Ersatz seines Schadens in Höhe eines Drittels von insgesamt 3.372,31 EUR einschließlich vorgerichtlicher Anwaltskosten zuerkannt. Der Kläger sei zwar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ohne Beleuchtung unterwegs gewesen und habe deshalb gegen die Vorschriften der §§ 17 Abs. 1 StVO, 67 StVZO verstoßen. Schwerer wiege bei einer nach § 254 BGB anzustellenden Abwägung jedoch, dass der Beklagte bei Abblendlicht mit der von ihm eingeräumten Geschwindigkeit von über 80 km/h das Sichtfahrgebot missachtet habe. Im Übrigen könne der Beklagte kein Schmerzensgeld verlangen, da es insoweit an einem su...