Leitsatz (amtlich)
›1. Kein Beschwerderecht der Staatskasse gegen Anordnung der Erstattung von Reisekosten einer Partei aus der Staatskasse trotz verspäteter Antragstellung (hier: 3 Monate nach Termin).‹
2. In einer Ehesache, in der das persönliche Erscheinen der Parteien zum Termin angeordnet ist, umfaßt die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auch ohne ausdrückliche Erwähnung den Ersatz der Reisekosten in Höhe der Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels, § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO analog.
3. Es ist nicht greifbar gesetzeswidrig, wenn die Erstattung von Reisekosten angeordnet wird, obwohl die Reisekosten nicht alsbald sondern verspätet beantragt werden (hier: nach drei Monaten).
4. Im Hinblick auf die eingeschränkte Beschwerdemöglichkeit der Staatskasse nach § 127 Abs. 3 ZPO ist eine Beschwerde gegen den Erstattungsbeschluß nicht möglich.
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 5 F 1989/95) |
Gründe
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO analog).
II.
Die Beschwerde des Beschwerderevisors als Vertreter der Staatskasse ist nicht zulässig. Die Vorschrift des § 127 Abs. 2 Abs. 3 ZPO schränkt die Beschwerdebefugnis der Staatskasse auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Fälle einer fehlenden Zahlungsanordnung (aus dem Einkommen oder aus Vermögen) ein (§ 127 Abs. 3 S. 1 ZPO) und enthält zudem eine Beschränkung der möglichen Anfechtungsgründe, indem sie nur solche Beschwerdeanträge zuläßt, die auf Leistung von Zahlungen auf die Kosten der Prozeßführung gerichtet sind (§ 127 Abs. 3 S. 2 ZPO).
Den Umfang der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und die Erstreckung der Prozeßkostenhilfe auf bestimmte Kosten des Verfahrens (z. B. auf Reisekosten der Partei) kann die Staatskasse aufgrund der durch § 127 Abs. 3 S. 2 ZPO gesetzlich getroffenen Beschränkung ihrer Beschwerdebefugnis nicht angreifen (vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1990, 633; Rpfleger 1990, 172; OLG Frankfurt, FamRZ 1988, 739; Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 127 Rn. 33 a; Baumbach/Hartmann, ZPO, 55. Aufl., § 127 Rn. 26; Stein/Jonas, ZPO, 21, Aufl., 127 Rn. 9; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 127 Rn. 18).
Ein Ausnahmefall einer "greifbaren Gesetzwidrigkeit" (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.; Zöller a.a.O.) liegt nicht vor. Denn das Amtsgericht hatte das persönliche Erscheinen des Antragstellers zu beiden Terminen in der Ehesache gemäß § 613 ZPO zu Recht angeordnet, und hat die Erstattung der Reisekosten auf die Höhe der Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels beschränkt.
Reisekosten der Partei zu einem Gerichtstermin sind notwendige Auslagen, insbesondere, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet ist (vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1990, 1023; Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe, Rn. 640). Eine ausdrückliche Erwähnung im Bewilligungsbeschluß ist nicht erforderlich (OLG Bamberg, JurBüro 1987, 249; Zöller, a.a.O., § 122 Rn. 26). Aus dem Zweck der Prozeßkostenhilfe, einer mittellosen Partei vollen Rechtsschutz zu gewähren, folgt das Gebot der analogen Anwendung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (i. V. mit GKG-KostVerz Nr. 9008) auf solche Aufwendungen der Partei (OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1285; Zöller, a.a.O., § 122 Rn. 26). Eine verspätete (nicht "alsbaldige") Antragstellung hinsichtlich der Kosten für die Reise zum ersten Termin, die den Verlust des Erstattungsanspruchs zur Folge haben kann (vgl. OLG Brandenburg, JurBüro 1996, 142; OLG Zweibrücken, JurBüro 1989, 233; Zöller, a.a.O., § 122 Rn. 27), reicht für die Annahme einer "greifbaren Gesetzwidrigkeit" eines Beschlusses, durch den die Erstattung dennoch angeordnet worden ist, jedenfalls nicht aus.
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2994148 |
FamRZ 1998, 252 |
FuR 1997, 358 |
EzFamR aktuell 1997, 350 |
OLGReport-Nürnberg 1998, 67 |
OLGR-MBN 1998, 67 |