Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem (potenziellen) Hauptsachestreitwert; dieser ist auf der Grundlage der Antragsbegründung objektiv zu bewerten.
2. Wertangaben des Antragstellers können, sofern sie plausibel erscheinen und solange keine besseren Erkenntnisse vorliegen, für die Wertbemessung übernommen werden.
3. Stellt ein Antragsteller, der einen Schaden und die Kosten für dessen Beseitigung festgestellt haben will, von vornherein klar, dass er im späteren Hauptsacheprozess nur einen Teil des zu ermittelnden Aufwandes geltend machen würde, und erscheint diese Erklärung glaubhaft (etwa weil der Beweisantrag auch die Ermittlung von „Sowiesokosten” oder „Abzug neu für alt” miteinschließt), dann vermindert die beabsichtigte Beschränkung der Hauptsacheklage auch den Streitwert des Beweisverfahrens.
Normenkette
ZPO §§ 3, 485 ff.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Aktenzeichen 3 OH 50/01) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Streitwert-Beschluss des LG Regensburg vom 10.7.2002 dahin geändert, dass der Streitwert auf 25.000 Euro festgesetzt wird.
II. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig (§ 25 Abs. GKG, §§ 567 ff. ZPO n.F.) und teilweise auch begründet.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats (OLG Nürnberg BauR 1995, 135) und im Einklang mit der überwiegenden Rechtspraxis (vgl. Übersichten bei Zöller/Herget, 23. Aufl., § 3 ZPO Rz. 16; Musielak/Wolst, 3. Aufl., § 3 ZPO Rz. 32, je zum Stichtwort „Selbstständiges Beweisverfahren”) bestimmt sich der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens nach dem – potenziellen – Hauptsachestreitwert. Dieser ist objektiv zu bewerten, und zwar auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers (auf dessen Interesse es ankommt) zum Zeitpunkt der Antragstellung.
Ob sich die unter Beweis gestellten Tatsachen bei der Beweisaufnahme bestätigen oder nicht, hat auf den Streitwert keinen Einfluss. Auch die Wertangaben des Antragstellers binden das Gericht nicht; sie können jedoch, sofern sie plausibel erscheinen und solange keine besseren Erkenntnisse vorliegen, bei der Wertbemessung als Indiz mit herangezogen werden.
2. Für den konkreten Fall folgt daraus:
a) Die Wertangabe der Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens und die später vom Sachverständigen geschätzten Sanierungskosten bewegen sich in der gleichen Größenordnung, nämlich von 100.000 DM. Zutreffend hat deshalb das LG bei seiner Wertfestsetzung den von der Antragstellerin vorgeschlagenen Streitwert übernommen.
b) Ebenfalls zutreffend hat das LG den nachträglichen Einwand der Antragsgegnerin, wonach die Antragstellerin ein Mitverschulden treffe, bei der Bewertung des Streitwertes unberücksichtigt gelassen. Von einem solchen Mitverschulden, das die Antragsgegnerin erst aus dem Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen herleitet, war im Antrag der Antragstellerin noch nicht die Rede.
c) Mit Recht weist jedoch die Antragsgegnerin darauf hin, dass es sich bei der beschädigten Brücke um ein bereits Jahrzehnte altes Bauwerk handelt. Muss ein solches Bauwerk grundlegend saniert oder gar, wie es die Antragstellerin von Anfang an für möglich hielt, neu errichtet werden, so liegt es nahe, dass der Eigentümer auch bei einem für ihn günstigen Ausgang de Beweiserhebung nicht die vollen Herstellungskosten einklagen, sondern von vornherein einen „Abzug neu für alt” oder die Anrechnung von „Sowiesokosten” ins Auge fassen würde. Dies scheint auch die Antragstellerin so gesehen zu haben, wie sich daran zeigt, dass sie unter Nr. 6 ihres Fragenkatalogs vom 27.6.2001 die Beweisaufnahme ausdrücklich auf Abzüge für „Sowiesokosten” bzw. „Neu für Alt” erstreckt wissen wollte. Wenn aber die Antragstellerin von Anfang an vorhatte, die Kosten der Sanierung bzw. Neuherstellung um diese Abzugsposten zu mindern, dann sind für die Bewertung ihres Interesses an der Durchführung des Beweisverfahrens die Gesamt-Sanierungskosten um diese Abzugsposten zu verringern.
Nachdem der Sachverständige im Wege der Grobschätzung meint, die Brücke habe etwa die Hälfte ihrer zu erwartenden Lebensdauer erreicht, wäre daran zu denken, den Abzug „Neu für Alt” für die Zwecke der Streitwertbemessung im selbstständigen Beweisverfahren ebenfalls mit der Hälfte der zu erwartenden Kosten zu bewerten. Die Verfahrensbevollmächtigten beider Parteien haben sich auf telefonische Nachfrage des Senats mit dieser Bewertungsmethode einverstanden erklärt. Eine Vorentscheidung für ein eventuelles Hauptsacheverfahren ist damit nicht verbunden.
Gerundet ergibt sich somit für das selbstständige Beweisverfahren ein Streitwert von 25.000 Euro.
II. Für eine Kostenentscheidung im Verfahren über die Streitwert-Beschwerde besteht kein Anlass (§ 25 Abs. 4 GKG).
Redel
RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1108419 |
OLGR-MBN 2003, 111 |
www.judicialis.de 2002 |