Leitsatz (amtlich)
1. Die Einreichung der Beschwerdebegründung nach § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG kann sowohl beim Amtsgericht als auch beim Beschwerdegericht erfolgen.
2. Die Zustimmung zu einem auf Dauer angelegten Aufenthaltswechsel der Kinder gem. Art. 13 Abs. 1 lit. a) HKÜ kann auch längere Zeit im Voraus für einen erst in der Zukunft geplanten Wegzug gegeben werden.
Normenkette
FamFG § 65 Abs. 1; HKÜ Art. 3, 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 lit. a); IntFamRVG § 40 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 110 F 1835/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Abteilung für Familiensachen -, Az: 110 F 1835/21 vom 27.08.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen eine abschlägige Entscheidung über die Rückführung seiner Kinder nach Großbritannien auf der Grundlage des Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) durch das Amtsgericht Nürnberg.
I. Der Antragsteller, britischer Staatsangehöriger und Ingenieur, und die Antragsgegnerin, deutsche Staatsangehörige und Sekretärin, haben am 12.06.2010 in England geheiratet. Sie sind die Eltern der Kinder N..., geb. am ..., L..., geb. am .... und C..., geb. am ..., die sämtlich in Deutschland zur Welt gekommen sind. Die Antragsgegnerin lebte vor und nach der Heirat bis zum August 2017 mit den Kindern in Deutschland, und zwar in M..., K... und zuletzt in N.... In N... bewohnte die Familie ein im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehendes Haus. Der Antragsteller arbeitete während dieser Zeit zumeist im Ausland und hielt sich nur zeitweise bei seiner Familie in Deutschland auf. Anlässlich der Geburt von C... entschloss sich die Familie, während der Elternzeit der Antragsgegnerin mit den Kindern in W... P... in England zu leben. Nach der Elternzeit sollte zumindest die Antragsgegnerin mit den Kindern wieder nach Deutschland zurückkehren. Beide Elternteile gingen zunächst von einer Elternzeitdauer von 25.04.2017 bis 25.09.2020 aus. Die Antragsgegnerin vermietete das in ihrem Alleineigentum stehende Familienheim in N... zunächst befristet bis zum 31.12.2019 und verlängerte diese Frist dann bis zum 31.07.2020. Auch während der gemeinsamen Zeit in England war der Antragsteller beruflich mehrere Monate im Ausland tätig und nur am Wochenende bei seiner Familie. Eine Rückkehr der Antragsgegnerin mit den Kindern im Sommer 2020 erfolgte nicht, vielmehr verlängerte die Antragsgegnerin ihre Elternzeit bis zum 25.04.2021 und den Mietvertrag bezüglich ihres Hauses in N... bis zum 31.03.2021. Am 02.03.2021 kam es zwischen den Eltern zu einer körperlichen Auseinandersetzung. In der Folge verließ der Antragsteller zunächst für einige Tage die Ehewohnung und wurde dann seitens der Polizei für 24 Stunden in Arrest genommen, verhört und am 06.03.2021 am Nachmittag wieder entlassen. Am 06.03.2021 flog die Antragsgegnerin mit den drei Kindern nach Deutschland, wo sie sich seither mit den Kindern aufhält.
Der Antragsteller macht geltend, die Kinder hätten bis zu ihrem Verbringen nach Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt in England gehabt. Sie hätten dort die Schule, bzw. Vorschule oder Kindergarten besucht. Die Verbringung der gemeinsamen Kinder nach Deutschland am 06.03.2021 sei ohne sein Einverständnis und damit widerrechtlich erfolgt. Zwar sei er gemeinsam mit der Antragsgegnerin zunächst tatsächlich davon ausgegangen, dass der Umzug nach England für die Antragsgegnerin und die Kinder nur für zwei Jahre erfolgen solle. Allerdings hätten sich im Sommer 2019 diese Pläne geändert, da sich nunmehr keiner der Beteiligten mehr habe vorstellen können, außerhalb des Familienverbunds zu leben. Die Antragsgegnerin habe daher ihre Elternzeit um ein weiteres Jahr auf drei Jahre verlängert. Richtig sei auch, dass für das Jahr 2020 eine Rückkehr der Antragsgegnerin mit den Kindern geplant gewesen sei. Die Ehegatten hätten im Sommer 2020 darüber verhandelt, wie eine Rückkehr der Antragsgegnerin nach Deutschland aussehen könnte. Zu diesem Zeitpunkt sei der Antragsteller mit einer Rückkehr der Mutter und der Kinder noch einverstanden gewesen. Allerdings habe die Familie im Sommer 2020 entschieden, dass sie doch in England bleiben wolle. So habe beispielsweise das Kind N... die kostspielige Aufnahmeprüfung in die W...C... G... School absolviert und bestanden. Noch im Februar 2021 habe man sich als Familie gefühlt und es habe keinen Anlass gegeben zu glauben, sie seien getrennt. Zwar habe der Antragsteller im Februar 2021 einen Scheidungsantrag in England eingereicht. Dieser sei allerdings nur vorgeschoben gewesen, da ihm geraten worden sei, die Einleitung eines Scheidungsverfahrens könne ggf. einen Haftungsdurchgriff auf die Familie anlässlich eines gegen ihn laufenden Steuerstrafverfahrens in Deutschland vermeiden. Bei ...