Leitsatz (amtlich)
Die Wirkung eines wegen Ausbleibens des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung erlassenen Sicherungshaftbefehls endet nicht mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO.
Normenkette
StPO § 329 Abs. 3, § 205
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 26.11.2015; Aktenzeichen JKIV Ns 606 Js 49400/14 jug.) |
Tenor
I.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 wird als unbegründet verworfen.
II.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 24.02.2015 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr neun Monaten verurteilt. Auf die von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten eingelegten Berufungen hat das Landgericht Nürnberg-Fürth Termin für die Berufungshauptverhandlung auf den 06.10.2015 bestimmt. Mit der ihm am 03.09.2015 zugestellten Ladung zu diesem Termin wurde der Angeklagte auf die Folgen seines nicht genügend entschuldigten Ausbleibens hingewiesen.
Da der Angeklagte zum Berufungshauptverhandlungstermin am 06.10.2015 unentschuldigt nicht erschienen ist und der anwesende Verteidiger keine schriftliche Vertretungsvollmacht gemäß § 329 Abs. 1 StPO besaß, verwarf das Landgericht durch im Termin verkündetes Urteil die Berufung des Angeklagten, erließ gegen den Angeklagten Haftbefehl gemäß § 329 Abs. 3 StPO und stellte das Verfahren auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen der Abwesenheit des Angeklagten vorläufig gemäß § 205 StPO ein.
Mit Verfügung vom 26.10.2015 beantragte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (NStZ-RR 2009, 89), den Haftbefehl (deklaratorisch) aufzuheben und Haftbefehl nach § 112 StPO zu erlassen. Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 26.11.2015 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Anordnung der Verhaftung des Angeklagten nach § 329 Abs. 3 StPO - ebenso wie der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO - das Ziel habe, die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern. Gesichert werden solle damit das Erscheinen des Angeklagten bei der für das Verfahren erforderlichen Hauptverhandlung. Wenn in § 329 Abs. 3 StPO auf die "Hauptverhandlung" abgestellt werde, sei darunter nicht nur die konkrete, bereits begonnene Hauptverhandlung zu verstehen, sondern die Hauptverhandlung, die erforderlich ist, um das Verfahren durchzuführen und die ggf. neu angesetzt werden muss. Ansonsten würde ein Sicherungshaftbefehl immer dann gegenstandslos, wenn der Angeklagte nicht innerhalb der zulässigen Unterbrechungsfrist des § 229 StPO verhaftet werden könne.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 09.12.2015 Beschwerde eingelegt. Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ergebe sich, dass die Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO einer Aussetzung des Verfahrens gleichzustellen sei, mit der Folge, dass der Haftbefehl nach § 230 StPO gegenstandslos werde und deklaratorisch aufzuheben sei. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.12.2015 nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 sowie den Haftbefehl vom 06.10.2015 (letzteren deklaratorisch) aufzuheben. Der Verteidiger des Angeklagten schließt sich in seiner Stellungnahme vom 13.01.2015 der Auffassung des Landgerichts an.
II.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, das Verfahren vorläufig nach § 205 StPO einzustellen, hat keinen Einfluss auf den zeitgleich erlassenen Haftbefehl nach § 329 Abs. 3 StPO. Der Haftbefehl ist wirksam und nicht (deklaratorisch) aufzuheben.
1. Die Wirkung des Haftbefehls des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.10.2015 endete nicht mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO sondern besteht weiter fort (so auch der erste Strafsenat im Beschluss vom 04.02.2016, 1 Ws 12/16). Der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 und der Haftbefehl sind daher nicht aufzuheben.
a. Der Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO bzw. § 329 Abs. 3 StPO hat die Aufgabe, die Hauptverhandlung zu sichern, zu deren Durchführung er erlassen ist. Mit dem Ende dieser Hauptverhandlung wird er von selbst gegenstandslos. Dies ist etwa der Fall, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt wird (Löwe-Rosenberg/Becker, StPO, 26. Auflage, § 230 Rn 37; SK-StPO/Deiters 5. Auflage, § 230 Rn 30; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 230 Rn 23; OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.1992 - 3 Ws 118/92 -, [...]). Die vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO entspricht dem nicht, so dass damit auch nicht die Wirkung eines Sicherungshaftbefehls entfällt.
aa. Die entgegenste...