Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelstrafrecht: Tatbestandsmerkmale des unerlaubten Handeltreibens, Feststellung des Mindestschuldumfangs, Nicht geringe Menge Cannabis, Strafrahmenwahl, Strafaussetzung zur Bewährung
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Handeltreiben in diesem Sinne ist jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern.
b) Will der Tatrichter wegen dieses Tatbestands verurteilen, reicht weder die Feststellung aus, der Angeklagte habe das Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben noch dass eine "nicht in der kurzen Zeit zum eigenen privaten Verbrauch gekauft werden könne".
2. Aus der Zeugenaussage, wonach die Qualität des Haschischs aufgrund Eigenkonsums als "gut" eingestuft wurde und dem ermittelten Verkaufspreis von 5,50 bis 6,50 DM pro Gramm kann rechtsfehlerfrei der Schluss gezogen werden, dass zumindest Rauschgift von "Durchschnittsqualität" - dies entspricht einem THC-Gehalt von 5 % - erworben worden war.
3. Bei Cannabisprodukten beträgt der Grenzwert der nicht geringen Menge 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC); dieser Grenzwert muss lediglich erreicht, braucht aber nicht überschritten zu sein.
4. Die Wahl des Ausnahmestrafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG setzt eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit voraus; will der Tatrichter einen minder schweren Fall annehmen, muss er sich jedenfalls damit auseinandersetzen, dass beim Angeklagten einschlägiges Bewährungsversagen vorliegt.
5. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung setzt sich in Widerspruch zu den übrigen Urteilsgründen, wenn einerseits ein minder schwerer Fall angenommen wird, andererseits besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint werden.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 20.09.2004) |
AG Nürnberg (Urteil vom 27.11.2003) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Nürnberg hat den Angeklagten am 27.11.2003 wegen zweier sachlich zusammentreffender Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und den Angeklagten wegen eines Vergehens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 5.11.2003 (Az. XXX) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat (zumindest vorläufigen) Erfolg.
Die Urteilsgründe tragen eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln (Tatkomplex 1) und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tatkomplex 2) nicht, weil das Urteil keine Feststellungen dazu enthält, ob der Angeklagte mit den erworbenen 150 g bzw. 300 g Haschisch Handel getrieben hat. Handeltreiben in diesem Sinne ist jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (Weber BtMG 2. Aufl. § 29 Rn. 142). Die Strafkammer hat dazu nur festgestellt, dass der Angeklagte das vom Zeugen P. erhaltene Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hat (BU S. 15), aber nicht begründet, wie sie zu dieser Überzeugung gelangt ist. Das Amtsgericht hat wenigstens noch auf die relativ große Menge abgestellt, die "nicht in der kurzen Zeit zum eigenen privaten Verbrauch gekauft werden könne" (amtsgerichtliches Urteil S. 9)
III.
Wegen der aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil daher auf die Revision des Angeklagten unter teilweiser Aufrechterhaltung der Feststellungen wie tenoriert aufgehoben (§ 353 StPO). Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
IV.
Für das weitere Verfahren wird angemerkt:
1. Sollte das Landgericht in der neuen Verhandlung feststellen, dass ein "Handeltreiben" im obigen Sinne (s. II) vorliegt, kommt auch eine Verurteilung hinsichtlich des ersten Tatkomplexes wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Betracht
Nach den aufrecht erhaltenen Feststellungen hat es die Strafkammer als erwiesen erachtet, dass der Angeklagte zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im September 2001 von dem anderweitig Verfolgten P. 150g Haschisch mit einem THC-Gehalt von wenigstens 5% zu einem Grammpreis von 6,50 DM zum - was noch festgestellt werden müsste -- "gewinnbringenden Weiterverkauf " - erworben hat und am 29.11.2001 weitere 300g mit gleichem THC-Gehalt zum gleichen Zweck (BU S. 9). Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt...