Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Sind die Schuldfeststellungen so dürftig, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen, so ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam.

  • 2.

    Sendet ein Beschuldigter ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft, um gegenüber dem sachbearbeitenden Staatsanwalt durch eine darin enthaltene Äußerung ("Ich nehme an, dass Sie ein Nazi sind") seine Miss- oder Nichtachtung auszudrücken, muss das Urteil ausreichende Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat, zu den Beweggründen und Zielen des Angeklagten sowie - auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 193 StGB - zum Maß der Pflichtwidrigkeit seiner Äußerung enthalten.

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts ... i.d.OPf. vom 12. Juni 2007 aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entsscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht ... hat den Angeklagten am 15.3.2007 wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die gegen dieses Urteil eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Angeklagten hat das Landgericht ... am 12.6.2007 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft ... beantragt in ihrer Stellungnahme vom 9.8.2007 die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ....

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Das Landgericht ist zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen.

1.

Die Berufung der Angeklagten war nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.

a)

Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung ( § 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (stRspr. des Senats, vgl. OLG Nürnberg ZfSch 2006, 288 f.; OLG Nürnberg StraFo 2007, 339, je m.w.N.).

Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch allein anfechtbar. Die dem Rechtsmittel berechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Deshalb kann und darf das Revisionsgericht regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Schuldfeststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Sind sie dagegen so dürftig, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, zu dem insbesondere der Schuldumfang zählt, nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen, so ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stets unwirksam (OLG Nürnberg, jew. a.a.O.; Ruß in: Karlsruher Kommentar StPO 5. Aufl. § 318 Rn. 7a). Denn Grundlage für die Strafzumessung ist die Schuld des Täters ( § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB); die die Schuld bestimmenden Umstände sind daher in der Regel zugleich wesentliche Strafzumessungstatsachen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB), die - wie hier - zudem für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung von Bedeutung sein können.

b)

Die gegen diese - ständige - Rechtsprechung sowohl des BayObLG (zuletzt in NZV 2005, 592 m.w.N.) als auch des erkennenden Senats vorgebrachte Kritik vermag nicht zu überzeugen. Soweit insbesondere Gösse/(in: Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 318 Rn. 51) meint, die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Berufungsbeschränkung wegen fehlerhafter tatsächlicher Feststellungen dürfe die Tendenz erkennen lassen, eine aus der Sicht der Rechsmittelgerichte unzutreffende rechtliche Würdigung des Tatrichters des von ihm festgestellten Sachverhalts in eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung umzudeuten, die dann zur Unwirksamkeit der Anfechtungsbeschränkung führe, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Die Frage der zutreffenden rechtlichen Würdigung im Sinne beanstandungsfreier Subsumtion der Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Straftatbestandes einerseits und die Frage der erforderlichen prozessualen Feststellungen für die Feststellung des Schuldumfanges andererseits betreffen zwei unterschiedliche Gesichtspunkte. Soweit weiterhin kritisiert wird (Gösse...

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