Leitsatz (amtlich)
1. Wer sich darauf beruft, Eigentum an einer beweglichen Sache durch Ersitzung gemäß § 937 Abs. 1 BGB erlangt zu haben, trägt die Darlegungs- und Beweislast für seinen zehnjährigen Eigenbesitz.
2. Die Beweislast für mangelnden guten Glauben bei Besitzerwerb oder für spätere Bösgläubigkeit trägt hingegen, wer die Ersitzung bestreitet und gegen den Ersitzenden Ansprüche aus Eigentum an der Sache geltend machen will. Allerdings trifft denjenigen, der sich auf Ersitzung beruft, eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seiner Gutgläubigkeit für Erwerbsvorgänge in seiner Sphäre.
3. Diese Beweislastverteilung gilt auch, wenn eine Sache dem früheren Besitzer gestohlen wurde oder sonst abhandengekommen ist (entgegen OLG Celle, Urteil vom 17.09.2010 - 4 U 30/08, GRUR-RR 2011, 24).
Verfahrensgang
LG Ansbach (Urteil vom 11.09.2015; Aktenzeichen 2 O 891/14) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers und Widerbeklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2015 (Az. 2 O 891/14) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger und Widerbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2015 (Az. 2 O 891/14) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um die Freigabe zweier von der Polizei beim Beklagten am 01.10.2009 sichergestellter (Anlage K6) und in der Folge von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Ansbach hinterlegter (Anlage K16) Gemälde.
1. Der Kläger ist Enkel des am 17.04.1966 verstorbenen Malers H. P.. Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler, weist weder eine akademische Ausbildung (im Kunstbereich oder in anderen Sparten) auf noch ist er kunstbeflissen, künstlerisch tätig oder an Kunstgeschichte interessiert.
Die sichergestellten Gemälde waren vor ihrer Sicherstellung durch die Polizei zunächst im Privathaus des Beklagten in Haundorf und anschließend in Büroräumen im Betrieb Gunzenhausen des Beklagten aufgehängt; später wurden sie dort abgehängt und in einem Schrank im oberen Stockwerk des Betriebsgebäudes verwahrt.
Im Juni 2009 trat die Tochter des Beklagten, die Zeugin K. H., mit einem Auktionshaus in Luzern/Schweiz in Kontakt, um die Möglichkeit der Veräußerung eines der Bilder im Rahmen einer Auktion auszuloten (E-Mail-Verkehr Anlagen K7, K8). Am 02.07.2009 erfolgte eine Besichtigung der Gemälde durch einen Mitarbeiter des Auktionshauses im Betrieb des Beklagten in Gunzenhausen. In der Folge wurde wegen des Verdachts der Hehlerei der - als gestohlen gemeldeten - Bilder ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ansbach gegen den Beklagten eingeleitet, in dessen Rahmen die Bilder sichergestellt wurden. Dieses Verfahren (Staatsanwaltschaft Ansbach 1114 Js 8347/09) endete mit einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO.
2. Nach Vortrag des Klägers soll es sich bei diesen Gemälden um die 1924 bzw. 1939 entstandenen Werke "X" und "Y-1" bzw. "Y-2" des Malers H. P. handeln, die einen Wert von über 100.000 EUR aufweisen würden. Diese Gemälde habe H. P. seiner Tochter C. S., geb. P. - der Mutter des Klägers - geschenkt; nach deren Tod am 12.09.1993 und dem Tod deren Ehemanns Prof. Dr. jur. F. S. am 25.02.1996 sei das Eigentum an den Bildern im Wege der Erbfolge auf den Kläger sowie dessen Schwester C. B., geb. S., übergegangen (Anlagenkonvolut K15). Frau B. habe ihre Ansprüche mit Vereinbarung vom 14.08.2010/16.08.2010 (Anlage K1) an den Kläger abgetreten.
Die Originalgemälde seien - neben weiteren Bildern - am 18.11.1986 bei einem Einbruch unbekannter Täter in das Anwesen der Eltern des Klägers in Stuttgart, H.-K.-Straße xx, entwendet worden. Wegen dieses Diebstahls seien polizeiliche Ermittlungen eingeleitet worden (Anlage K4); die beiden Bilder wurden unter Abbildung derselben im "BKA - Bundeskriminalblatt" in einer entsprechenden Kunstdatenbank der Polizei als gestohlen ausgeschrieben.
Der Beklagte, bei dem die Bilder aufgefunden worden seien, habe hieran kein Eigentum erworben.
3. Der Beklagte trägt vor, er habe die sichergestellten Gemälde mutmaßlich 1986/1987 von seinem - 1993 verstorbenen - Stiefvater J. S. geschenkt bekommen. Herr S. habe dabei geäußert, die Bilder von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in Dinkelsbühl erworben zu haben.
Die vom Kläger behauptete Provenienz der Gemälde und die daraus hergeleitete Aktivlegitimation des Klägers werde mit Nichtwissen bestritten. Insbesondere würden die behauptete Schenkung der Bilder seitens H. P.fe an dessen Tochter C. S., geb. P., sowie die behauptete Erbfolge bestritten, weiterhin, dass die betreffenden Bilder tatsächlich gestohlen worden seien. ...