Leitsatz (amtlich)
1. Ein rechtliches Interesse als Voraussetzung der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 Abs. 2 ZPO) besteht nicht, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Anspruch, dessen der Antragsteller sich berühmt, nicht bestehen kann. In einem derartigen Fall steht fest, dass das Ergebnis des Beweisverfahrens in einem sich etwa anschließenden Prozess keine Bedeutung hat und damit die Beweiserhebung unnütz wäre.
2. § 839a BGB statuiert eine Haftung des gerichtlichen Sachverständigen für Schäden, die einem Verfahrensbeteiligten auf Grundlage eines unrichtigen Gutachtens des Sachverständigen durch eine gerichtliche Entscheidung entstehen. Eine solche gerichtliche Entscheidung liegt nicht vor, wenn die Parteien unter dem Eindruck eines unrichtigen Gutachtens des Sachverständigen das gerichtliche Verfahren durch Prozessvergleich beenden. Die Motivation für den Vergleichsschluss spielt insoweit keine Rolle.
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2; BGB §§ 779, 839a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 03.02.2011; Aktenzeichen 1 OH 10088/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 3.2.2011 (Az. 1 OH 10088/10) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat im selbständigen Beweisverfahren die Beweiserhebung über Schäden eines Motorrads sowie deren Unfallbedingtheit beantragt.
Die Antragstellerin hatte dieses Motorrad 2006 an O. K. veräußert, dieser wiederum hat es 2007 an B. W. weiterverkauft. In einem Rechtsstreit zwischen diesen Personen wurde - nach vorausgegangenem selbständigen Beweisverfahren (AG Erlangen 6 H 39/07), in welchem der Antragsgegner, ein Kfz-Sachverständiger, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden war (Anlage A2) sowie nach Erstattung dieses Gutachtens (Anlage A3) - der Verkäufer O. K. zur Rückabwicklung des 2007 mit B. W. geschlossenen Kaufvertrages verurteilt (LG Nürnberg-Fürth, 1 O 8155/08 - Anlage A4 - sowie OLG Nürnberg, 5 U 620/09 - Anlage A5). In diesen Gerichtsverfahren hatte O. K. der Antragstellerin den Streit verkündet; diese war auf seiner Seite dem Rechtsstreit beigetreten.
Nach Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen B. W. und O. K. verklagte Letzterer die Antragstellerin auf Rückabwicklung des 2006 geschlossenen Kaufvertrags (LG Bückeburg, 2 O 138/09 - Anlage A6 - sowie OLG Celle, 7 U 55/10). Dieses Verfahren endete mit Vergleich, durch den sich die Antragstellerin - dortige Beklagte - zur Rückzahlung des an O. K. gezahlten Kaufpreises und zur Rücknahme des Motorrads verpflichtete (Anlage A7).
Die Antragstellerin beabsichtigt, den Antragsgegner auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, da dieser ein falsches Gutachten erstattet habe. Im Vorgriff hierauf hat sie unter dem 10.12.2010 den Antrag gestellt, im selbständigen Beweisverfahren über das (Nicht)Vorliegen von Schäden des Motorrads sowie deren Unfallbedingtheit Beweis zu erheben.
Das LG Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 3.2.2011 (Az. 1 OH 10088/10) den Antrag mangels rechtlichen Interesses hieran zurückgewiesen, da ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nach § 839a BGB bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht komme.
Gegen diesen, ihr am 10.2.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 24.2.2011 per Telefax und am 28.2.2011 im Original eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das LG mit Beschluss vom 1.3.2011 nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das LG hat die beantragte Beweiserhebung zu Recht abgelehnt.
1. Das rechtliche Interesse als Voraussetzung der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 Abs. 2 ZPO) ist zwar weit zu fassen. Insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. An einem rechtlichen Interesse fehlt es allerdings jedenfalls dann, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Anspruch, dessen der Antragsteller sich berühmt, nicht bestehen kann. In einem derartigen Fall steht fest, dass das Ergebnis des Beweisverfahrens in einem sich etwa anschließenden Prozess keine Bedeutung hat und damit die Beweiserhebung unnütz wäre (BGH, Beschl. v. 26.10.2009 - VI ZB 53/08, MDR 2010, 39; Beschl. v. 28.7.2006 - III ZB 14/06, MDR 2007, 290; Beschl. v. 16.9.2004 - III ZB 33/04, NJW 2004, 3488).
2. Ein derartiges rechtliches Interesse leitet die Antragstellerin hier aus der von ihr behaupteten groben Fehlerhaftigkeit des im selbständigen Beweisverfahren AG Erlangen 6 H 39/07 eingeholten, ihr ungünstigen Sachverständigengutachtens her. Die Begutachtung in einem erneuten selbständigen Beweisverfahren soll daher der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Antragsgegner als seinerzeitigen Sachverständigen nach § 839a BGB dienen.
a) Aufgrund dieser Bestimmung ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Guta...