Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 16.01.2023; Aktenzeichen 12 Qs 76/22) |
AG Nürnberg (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 402 Cs 415 Js 59395/22) |
AG Nürnberg (Entscheidung vom 19.09.2022) |
Tenor
- Auf die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin des Amtsgerichts Nürnberg werden der Beschluss der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.01.2023 und der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 29.11.2022 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.09.2022 dahingehend abgeändert, dass die Gebühren und Auslagen der Antragstellerin Rechtsanwältin Sch. auf 709,24 Euro festgesetzt werden. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin vom 31.08.2022 wird zurückgewiesen.
- Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft N.-F. führte gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls. Am 02.08.2022 erließ das Amtsgericht Nürnberg gegen den Angeklagten Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, der dem Angeklagten am selben Tag eröffnet wurde. Im Vorfeld der Eröffnung bestellte das Amtsgericht Nürnberg dem Angeklagten Rechtsanwältin E. Sch. als Pflichtverteidigerin. Mit Schreiben vom 16.08.2022 regte die Verteidigerin bei der Staatsanwaltschaft an, gegen ihren Mandanten einen Strafbefehl zu erlassen und in das Strafbefehlsverfahren überzuleiten. Vorgeschlagen wurde, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten zu verhängen und deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 18.08.2022 erließ das Amtsgericht Nürnberg am 29.08.2022 einen Strafbefehl, mit dem eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Beschluss vom 30.08.2022 hob das Amtsgericht Nürnberg den Haftbefehl vom 02.08.2022 auf und ordnete an, dass der Angeklagte mit Zustellung des Strafbefehls aus der Haft zu entlassen ist. Der Strafbefehl wurde am 15.09.2022 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 31.08.2022 beantragte Rechtsanwältin Sch., die ihr aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten festzusetzen und machte unter anderem eine zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4141, 4104 VV RVG in Höhe von 145,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Am 19.09.2022 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Nürnberg die Kosten antragsgemäß auf 881,79 Euro festgesetzt.
Dagegen legte die Bezirksrevisorin des Amtsgerichts Nürnberg mit Schreiben vom 22.09.2022 Erinnerung ein, da nach dem klaren Gesetzestext eine Befriedigungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht entstanden sei.
Die Rechtspflegerin half der Erinnerung am 06.10.2022 nicht ab und legte die Akten der zuständigen Richterin des Amtsgerichts Nürnberg vor. Mit Schreiben vom 26.10.2022 legte die Antragstellerin dar, dass die Festsetzung der Gebühr Nr. 4141 VV RVG zu Recht erfolgt sei. Es sei im Vorfeld einer möglichen Hauptverhandlung eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft getroffen worden, dass ein Strafbefehl ergehen solle, der von ihrem Mandanten anerkannt und gegen den kein Einspruch eingelegt werde. Dieser Fall werde zwar nicht direkt von Nr. 4141 VV RVG erfasst, der Gebührentatbestand sei aber entsprechend anzuwenden. Es sei durch ihre Mitwirkung eine Häuptverhandlung - nämlich nach Einspruchseinlegung durch sie - vermieden worden. Dadurch seien Ressourcen sowohl in personeller, als auch in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht gespart worden.
Dieser Argumentation schloss sich das Amtsgericht Nürnberg am 29.11.2022 an, wies durch Beschluss die Erinnerung der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Nürnberg zurück und setzte die Gebühren und Auslagen antragsgemäß einschließlich der Gebühr Nr. 4141 VV RVG fest. Zur Begründung wird ausgeführt, dass insoweit eine Regelungslücke vorliege und der Gebührentatbestand im vorliegenden Fall analog anzuwenden sei. Es könne nicht sein, dass die Verteidigerin gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen und ihn postwendend wieder zurückzunehmen müsse, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu verdienen. Das Amtsgericht hat die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
Gegen diesen Beschluss legte die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse mit Schreiben vom 08.12.2022 Erinnerung ein mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg insoweit aufzuheben, als eine Befriedigungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 145,00 Euro zugebilligt worden sei. Die Bezirksrevisorin ist der Auffassung, dass nach dem klaren Gesetzestext der Nr. 4141 VV RVG die Befriedigungsgebühr nicht angefallen sein könne, da hierfür Voraussetzung die Einlegung und die Rücknahme eines Einspruchs sei. Es liege auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Im Vorfeld des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 sei von Seiten der Anwaltschaft vorgeschlagen worden, die Anmerkung Nr. 1 zu Nr. 4141 um eine Nr. 4 zu ergänzen, die diesen Fall der Nichteinlegung eines Einspruchs nach Strafbefehlserlass regele. Daraus, dass dies nich...