Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Unvermeidbarkeit eines Transportverlustes für den Frachtführer im Sinne des Art. 17 Abs. 2, letzter Fall CMR bei der Entwendung eines mit 23 Tonnen Messing beladenen Lkw (hier: Entwendung vor den Toren der Empfängerfirma in Birmingham, England, nachdem der Fahrer unter einem Vorwand aus dem Führerhaus gelockt wurde, wobei er den Zündschlüssel stecken ließ).
2. Der Fahrer eines Lkw, der Transportgut von erheblichem Wert (hier: 23 Tonnen Messing im Gesamtwert von mehr als 100.000 Euro) geladen hat, ist zur Sicherung des Transportgutes wie auch des Lkw verpflichtet, das Fahrzeug stets nur unter Abziehen und Mitführen des Fahrzeugschlüssels zu verlassen.
3. Wird dem Fahrer beim Versuch der Nacheile aus dem entwendeten Lkw ein Reizstoffspray ins Gesicht gesprüht, so folgt allein hieraus nicht, dass die Täter - hätte der Fahrer beim Verlassen des Lkw den Fahrzeugschlüssel abgezogen und mitgeführt - sich dieses Schlüssels unter Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung bemächtigt hätten.
4. Auch in Fällen der organisierten Beschaffungskriminalität gibt es keinen dahingehenden Erfahrungssatz, dass - wenn die Entwendung eines Lkw durch Locken des Fahrers unter einem Vorwand aus dem Führerhaus unter Steckenlassen des Zündschlüssels misslingt - seitens der Täter zwangsläufig Maßnahmen einer höheren Eskalationsstufe, insbesondere mit Gewaltanwendung gegen den Fahrer verbundene Maßnahmen, ergriffen werden.
Normenkette
CMR Art. 17 Abs. 1-2, Art. 18 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 07.07.2009; Aktenzeichen 2 HK O 2909/08) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.07.2009 - 2 HKO 2909/08, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.
Gründe
1. Die Klägerin - Transportversicherer der X & Co. KG - begehrt von der Belegten, einem von ihrer Versicherungsnehmerin beauftragten Transportunternehmen, Schadensersatz wegen Verlustes von Transportgut.
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte die Beklagte mit dem Transport von 34 Bunden Messing im Gesamtgewicht von 23.123 kg netto von R./P. an 2 Empfängerfirmen in B. und T./Sh. (Großbritannien) beauftragt. Die Beklagte hatte den Auftrag an die Streithelferin zu 1), eine Gesellschaft österreichischen Rechts, und diese ihrerseits an die Streithelferin zu 2), eine Gesellschaft ungarischen Rechts, weitergegeben. Diese veranlasste den Transport per Lkw (amtliches ungarisches Kennzeichen xxx); der Transport wurde vom Fahrer xxx durchgeführt. Das Transportgut wurde diesem am 09.08.2007 in R. übergeben; es sollte über Frankreich/Belgien vermittels Fähre nach Großbritannien transportiert und am Montag, den 13.08.2007 am ersten Bestimmungsort in B. und in der Folge am weiteren Bestimmungsort in T./Sh. angeliefert werden.
Nach Ankunft in B. am Samstag, den 11.08.2007, parkte der Fahrer den Lkw am Straßenrand ca. 100 m von der Lagerhalle der Empfängerfirma entfernt und wartete auf deren Öffnung. Am Montag, den 13.08.2007 gegen 06.00 Uhr wurde er von einer sich als Mitarbeiter der Empfängerfirma gerierenden Person unter dem Vorwand, es gebe ein Problem mit dem Anhänger, aus dem Führerhaus zum rückwärtigen Auflieger gelockt, wobei er den Zündschlüssel stecken ließ. Dieser Umstand wurde von Unbekannten dazu genutzt, den Lkw samt Ladung zu entwenden. Ein Nacheileversuch des Fahrers, dem es gelang, sich an der Außenseite der Fahrertüre hochzuziehen, wurde durch Einsatz eines Reizgases, vermutlich Pfefferspray, unterbunden. Das Transportgut blieb in der Folge verschwunden.
Ob die Entwendung der Ware für die Beklagte als unvermeidbar anzusehen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen xxx) mit dem angefochtenen Urteil der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die infolge Forderungsübergangs aktivlegitimierte Klägerin könne nach Art. 17 CMR Schadensersatz beanspruchen. Die Beklagte habe nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können, dass der Unfall für sie ein unvermeidbares Ereignis im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR gewesen sei.
Hiergegen wendet sich die von der Streithelferin zu 1) der Beklagten eingelegte Berufung, mit der das Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt wird. Die Beklagte hat dieser Berufungseinlegung durch die Streithelferin zu 1) nicht widersprochen, vielmehr deren Einlegung mit Schriftsatz vom 31.08.2009 ausdrücklich gebilligt.
2. Berufungsklägerin ist lediglich die Beklagte, nicht auch die Streithelferin zu 1) der Beklagten xxx.
Diese hat zwar wirksam Berufung eingelegt. Die Streithelferin kann gemäß §§ 74 Abs. 1, 67 zweiter Halbsatz ZPO alle Prozesshandlungen wirksam vornehmen, soweit dies nicht mit Handlungen der unter...