Leitsatz (amtlich)
Das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen nach § 1767 Abs. 1 BGB wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt, den sich leibliche Eltern und Kinder üblicherweise gegenseitig leisten. Das familienbezogene Motiv muss als Hauptzweck der Annahme die sonstigen Nebenzwecke, wie etwa die Erlangung steuerlicher Vorteile bei der Rechtsnachfolge, deutlich überwiegen.
Normenkette
BGB § 1767
Verfahrensgang
AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 20.01.2011; Aktenzeichen 206 F 1343/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Eheleute H. G. M. und H. M. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Fürth/Bayern vom 20.1.2011 - 206 F 1343/10, aufgehoben.
2. Die am ... 1975 in O./Polen geborene K. S. geborene W., wohnhaft ... wird von den Eheleuten H. G. M., geboren am ... 1935 in F. und H. M., geborene W., geboren am ... 1937 in W., wohnhaft W.,..., als Kind angenommen.
3. ...
4. Der Verfahrenswert wird für beide Rechtszüge auf ... EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die gem. §§ 58 ff., 63 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Fürth/Bayern vom 20.1.2011 zum Ausspruch der Annahme der Beteiligten K. S. als Kind der Eheleute H. G. M. und H. M., § 1768 Abs. 1 BGB.
Die internationale Zuständigkeit für den Ausspruch der Annahme folgt aus § 101 Nr. 1 FamFG. Die Annehmenden sind deutsche Staatsangehörige. Die Anzunehmende ist polnische Staatsangehörige, die ihren ständigen Aufenthalt seit 1995 in Deutschland hat.
Gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Annahme als Kind dem Recht des Staates, dem die Annehmenden zum Zeitpunkt der Annahme angehören. Für das Zustandekommen der Adoption und deren Wirkungen gelten deshalb die Vorschriften der §§ 1767 ff. BGB, die - anders als das polnische Recht - in § 1767 Abs. 1 BGB den Ausspruch der Volljährigenadoption zulassen, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist. Die Zustimmungserfordernisse unterliegen nach Art. 23 EGBGB zusätzlich den Bestimmungen des Staates, dem die Anzunehmende angehört, demnach polnischem Recht, hilfsweise dem deutschem Recht, soweit das Wohl der Anzunehmenden dessen Anwendung erfordert.
Der Antrag auf Ausspruch der Annahme wurde in der Urkunde des Notars N. S. in L. vom 13.7.2010 (URz. S.) nach §§ 1767 Abs. 2, 1752 BGB formgerecht gestellt. Die Alterserfordernisse nach §§ 1767 Abs. 2, 1743 BGB sind erfüllt. Der Ehemann der Anzunehmenden R. S. hat die gem. § 1749 Abs. 2 BGB erforderliche Einwilligung zur Annahme seiner Ehefrau als gemeinschaftliches Kind der Ehegatten H. G. und H. M. erteilt.
Die Einwilligung der leiblichen Eltern der Anzunehmenden ist nach deutschem Recht nicht erforderlich. Die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis der Angenommen und ihrer Abkömmlinge werden nach § 1770 Abs. 2 BGB durch die Annahme nicht berührt. Die Angenommene scheidet durch die Annahme nicht aus der Herkunftsfamilie aus.
Das polnische Recht geht in Art. 114 FVGB davon aus, dass nur minderjährige Personen, die nicht verheiratet sind, adoptiert werden können (Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Band XVI, Stichwort "Polen", Seite 36). Demgemäß sieht das polnische Recht kein Zustimmungserfordernis der leiblichen Eltern vor.
Das AG - Familiengericht - Fürth/Bayern hat den Antrag auf Annahme den Eltern der Anzunehmenden zugestellt; damit wurden mögliche Auswirkungen der Annahme auf das natürliche Elternrecht der leiblichen Eltern berücksichtigt. Von ihrem Recht zur Stellungnahme haben beide Elternteile keinen Gebrauch gemacht. Die förmliche Beteiligung und Anhörung der Eltern der Anzunehmenden ist nicht erforderlich, weil eine Annahme mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme nach § 1772 BGB, die in die Verwandtschaftsverhältnisse der Anzunehmenden eingreift, nicht beantragt wurde (Prütting - Krause - FamFG, § 188 Rz. 13).
Die Annahme der am ... 1975 geborenen K. S. als gemeinschaftliches Kind der Eheleute H. G. und H. M. ist nach § 1768 Abs. 1 BGB auszusprechen, denn ein Eltern-Kind-Verhältnis, das die Annahme nach § 1767 Abs. 1, Halbs. 2 BGB sittlich rechtfertigt, ist bereits entstanden.
Die Anforderungen, die an das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellen sind, können naturgemäß im Rahmen der Erwachsenenadoption nicht dieselben sein wie bei der Minderjährigenadoption. Das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt, den sich leibliche Eltern und Kinder üblicherweise gegenseitig leisten (BayObLG FamRZ 1980, 1158 ff., BayObLGZ 2002, 243, BayObLG MittBayNot 2003, 141, OLG München BeckRS 2005, 13619). Das Eltern-Kind-Verhältnis kann auch mit einem bereits Volljährigen begründet werden. Ein tatsächliches Zusammenleben ist nicht erforderlich. Maßgebend ist eine dauernde innere, seelisch-geistige Verbundenheit, wie sie zwischen Eltern und Kind auch nach dessen Volljährigkeit prägend bleibt.
Das fam...