Leitsatz (amtlich)
Der Gefahrenmaßstab, der § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThuG zugrunde liegt, entspricht dem des § 66b S. 1 Nr. 2 StGB. Die Ausgangslage beider Normen ist, soweit es um den Gefahrenbegriff und die Gefährdungswahrscheinlichkeit geht, deckungsgleich.
Normenkette
ThUG §§ 1-2; ThuG § 16
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 13.07.2011; Aktenzeichen 7 AR 8/11 THUG) |
Tenor
Die Beschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt X vom 2.8.2011 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Regensburg vom 13.7.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. S wurde am 25.8.1989 vom LG K wegen in der Zeit vom 20.9. bis 10.11.1988 begangener versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Diebstahl, Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Verurteilte befand sich nach der Vollstreckung der Freiheitsstrafe ab 8.10.1997 zur Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt X; zehn Jahre der Sicherungsverwahrung waren am 9.11.2009 vollstreckt.
Am 3.1.2011 beantragte der Leiter der Justizvollzugsanstalt X bei dem LG Regensburg die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung gem. § 1 ThUG anzuordnen.
Mit Beschluss vom 26.5.2011 hat der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg entschieden, dass die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung zum 30.11.2011 erledigt ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass trotz der Anlassdelikte bereits nicht davon habe ausgegangen werden können, dass beim Betroffenen eine aus konkreten Umständen ableitbare hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten bestehe. Mit weiterem Beschluss vom 24.10.2011 hat der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG v. 15.9.2011 - 2 BvR 1516/11 die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit sofortiger Wirkung für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 13.7.2011 hat die 7. Zivilkammer des LG Regensburg, nach vorheriger persönlicher Anhörung des Betroffenen und Erholung zweier schriftlicher Gutachten durch die Sachverständigen Prof. Dr. K vom 27.4.2011 und Dr. S vom 8.6.2011, den Antrag auf Unterbringung des Betroffenen nach dem Therapieunterbringungsgesetz zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 4.5.2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) auch eine Unterbringung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG nur dann zulässig sei, wenn von dem Betroffenen aufgrund seiner psychischen Störung eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte ausgehe. Nach den erholten Sachverständigengutachten sei jedoch nicht davon auszugehen, dass beim Betroffenen eine derartige Gefahrenlage bestehe. Unabhängig davon liege bei dem Betroffenen auch keine psychische Störung i.S.d. § 1 Abs. 1 ThUG vor und es fehle jedenfalls auch an der von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG geforderten "hohen Wahrscheinlichkeit" weiterer Sexualdelikte.
Gegen den am 21.7.2011 zugestellten Beschluss hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt X mit Schriftsatz vom 2.8.2011, der am selben Tage beim LG Regensburg einging, Beschwerde eingelegt. Auf die Begründung der Beschwerde wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 15.9.2011 hat die 7. Zivilkammer des LG Regensburg der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Sachverständige Prof. Dr. K am 6.11.2011 sein Gutachten vom 27.4.2011 ergänzt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das Ergänzungsgutachten vom 6.11.2011 verwiesen.
II.1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) und Antragstellers ist gem. § 16 Abs. 1 ThUG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 16 Abs. 2, 3 ThUG i.V.m. §§ 58 ff FamFG). Dass der Betroffene zwischenzeitlich aus dem Maßregelvollzug der Justizvollzugsanstalt X entlassen wurde, hat gem. § 3 ThUG i.V.m. § 2 Abs. 2 FamFG keinen Einfluss auf die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 bei Einleitung des Verfahrens begründete ausschließliche Zuständigkeit des LG Regensburg und damit des OLG Nürnberg als Beschwerdegericht.
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Entgegen der Auffassung des LG ist zwar bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ThUG nicht auf den strengen Maßstab der hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 4.5.2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) abzustellen (vgl. OLG Nürnberg vom 21.7.2011 - 15 W 1400/11 ThUG sowie Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 21.9.2011, 2 BvR 1795/11). Unter Berücksichtung der Entscheidung des BVerfG vom 15.9.2011, 2 BvR 1516/11, liegt es auch nahe, dass beim Betroffenen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorliegt, die als psychische Störung i.S.d. § 1 Abs. 1 ThUG zu qualifizieren ist. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner abschließenden Klärung, da - in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung - auf...