Verfahrensgang

LG Regensburg (Entscheidung vom 24.04.2023; Aktenzeichen KLs 403 Js 23928/22 jug)

 

Tenor

1. Die Kostenentscheidung des Urteils der Jugendkammer I des Landgerichts Regensburg vom 24.04.2023 wird aufgehoben, soweit der Verurteilten ... die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind (Ziffer 5. Satz 1).

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht hat die zum Tatzeitpunkt jugendliche Verurteilte mit Urteil vom 24.04.2023 unter Anwendung von Jugendstrafrecht wegen fünf Fällen der Beihilfe zum Diebstahl mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen, ihr eine Geldauflage in Höhe von 500 Euro erteilt und sie für die Dauer von einem Jahr der Aufsicht und Betreuung eines Betreuungshelfers unterstellt. Die Mit-Verurteilten wurden jeweils wegen fünf Fällen des schweren Bandendiebstahls mit Sachbeschädigung zu Gesamtfreiheitsstrafen oder einer Einheitsjugendstrafe mit Bewährung verurteilt. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass die Verurteilte die Mitangeklagten bei Begehung von Diebstählen unterstützte, indem sie während der Taten im Fahrzeug wartete, um diese vor etwaiger Entdeckung zu warnen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, bei der Verurteilten von der Auferlegung von Kosten abzusehen, hat das Landgericht angeordnet, dass die Verurteilte ... und zwei Mit-Verurteilte die Kosten des Verfahrens zu tragen haben. Von der Möglichkeit des § 74 JGG, aus erzieherischen Gründen von der Auferlegung von Kosten abzusehen, hat das Landgericht keinen Gebrauch gemacht.

Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe, weil die Kostenentscheidung nicht berücksichtige, dass ein Großteil der angefallenen Kosten nicht auf den Tatbeitrag der Beschwerdeführerin zurückzuführen sei. Zudem sei es aus erzieherischen Gründen geboten, dass die Verurteilte, die derzeit in ... arbeite, eine Berufsausbildung beginne, was angesichts der Kostentragungslast von geschätzt 20.000 Euro erschwert werde. Hinzu komme, dass sie als jüngste der Verurteilten wegen der Inhaftierung der anderen kostentragungspflichtigen Verurteilten voraussichtlich allein die Kosten tragen müsse, was unverhältnismäßig sei. Schließlich ergebe sich aus der Urteilsbegründung, dass die Auferlegung der Kosten der zusätzlichen Sanktionierung dienen solle, was mit dem Erziehungsgedanken des JGG unvereinbar sei.

Die Verurteilte hat ihre gegen das Urteil eingelegte Revision vor Vorlage an das Revisionsgericht zurückgenommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Entscheidung, der zur Tatzeit jugendlichen Verurteilten gemäß § 74 JGG die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßstab der Ermessensentscheidung ist es, einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung der Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihr durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass sie für die Folgen ihres Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei ist im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung die Möglichkeit gemäß § 74 JGG - um Folgewirkungen im Sinne einer negativen Sanktionierung durch die Auferlegung der Kosten zu vermeiden - bei Jugendlichen tendenziell ausgedehnt zu nutzen (Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Auflage, § 74 Rn. 8c). Auch die Gesamtbelastung, die die Kostenentscheidung bewirkt, ist abwägungsrelevant (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.02.2011, III - 4 Ws 59/11, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2017, III-4 Ws 213/17, juris).

2. Die vom Landgericht getroffene Entscheidung genügt diesen Anforderungen nicht.

Zum einen führt das Landgericht aus, dass die festgesetzte Geldauflage der Höhe nach nur deshalb so gering bemessen wurde, weil die Verurteilte mit der Kostentragungspflicht belastet wird. Angesichts der Höhe der Kosten des Verfahrens tritt die eigentliche Rechtsfolge in den Hintergrund, was mit dem Erziehungsgedanken nicht zu vereinbaren ist (Eisenberg/Kölbel JGG/Kölbel, 24. Aufl. 2023, JGG § 74 Rn. 8d, LG Freiburg NStZ-RR 2000, 183).

Zum anderen begründet das Landgericht seine Entscheidung damit, dass die Verurteilte bei Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage bei einem Nettoverdienst von 1500 Euro durch ihre auf sechs Monate befristete Tätigkeit in ... imstande ist, die Kosten des Verfahrens in Raten zu begleichen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass zum einen das Arbeitsverhältnis befristet ist und zum anderen die Jugendliche plant, eine Ausbildung zur Verkäuferin oder im Bereich Kosmetik zu machen. Für die - unter Erziehungsaspekten wünschenswerte - Beendigung der Hilfstätigkeit in ... und Absolvierung einer Ausbildung ist ...

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