Leitsatz (amtlich)
Ist bei Kindesunterhalt nur der Spitzenbetrag streitig, während der unstreitige Sockelbetrag regelmäßig bezahlt wird, hat der Beklagte bei sofortigem Anerkenntnis des Sockelbetrages auch dann keine Veranlassung zur Klage in Höhe des Sockelbetrages gegeben, wenn er zu einem höheren Unterhalt verurteilt wird.
Normenkette
ZPO § 93; BGB § 1601 ff
Verfahrensgang
AG Regensburg (Urteil vom 29.06.1999; Aktenzeichen 1 F 453/99) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen Ziffer 6 des Endurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 29.6.1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt
3.500,– DM.
IV. Den Beschwerdeführerinnen wird Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen sind die ehelichen Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. In einer notariellen Scheidungsvereinbarung haben der Beklagte und die gesetzliche Vertreterin der Kinder vereinbart, daß der Kinderunterhalt nach dem gültigen Tabellensatz der Nürnberger Tabelle zu bezahlen ist.
Der Beklagte hat laufend 325,– DM bezahlt.
Mit vorliegender Klage haben die Klägerinnen begehrt, den Beklagten zu einem monatlichen Unterhalt von 418,– DM und ab 1.7.1999 zu jeweils 128 % des jeweiligen Regelbetrags zu verurteilen.
Der Beklagte hat im ersten Termin einen Unterhalt von 325,– DM je Kind unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt.
Mit Endurteil vom 29. Juni 1999 hat das Amtsgericht den Beklagten zu einem laufenden Unterhalt von monatlich 359,– DM (114 % des jeweiligen Regelbetrags) verurteilt. Über die Kosten hat das Amtsgericht in Ziffer 6 wie folgt entschieden:
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte 1/10 der Gerichtskosten, 1/10 seiner eigenen außergerichtlichen Auslagen und je 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Klägerinnen zu 1. und 2. zu zahlen.
Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben je 9/10 ihrer eigenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen, 9/20 der Gerichtskosten und je 9/20 der notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Beklagten zu tragen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 12.7.1999, bei Gericht eingegangen am 13.7.1999, wenden sich die Klägerinnen gegen diese Kostenentscheidung, die ihnen mit dem Urteil am 1.7.1999 zugestellt wurde.
Die sofortige Beschwerde wird damit begründet, daß zum einen kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO vorliege, da der Beklagte zunächst Antrag auf Klageabweisung gestellt habe. Im übrigen habe der Beklagte Anlaß zur Klage gegeben. Trotz der unstrittig regelmäßigen rechtzeitigen Unterhaltszahlung sei ein Titulierungsinteresse für den Gesamt unter halt gegeben (vgl. BHG, FamRZ 1998, S. 1165). Eine Beschränkung der Klage auf den streitigen Spitzenbetrag sei für den Gläubiger von wenig praktischem Nutzen; insbesondere sei es ihm nicht zuzumuten, zunächst den unstrittigen Sockelbetrag außergerichtlich titulieren zu lassen. Eine Vollstreckung aus zwei Titeln bereite Probleme. Zudem bestehe nunmehr die Möglichkeit, einen Unterhaltstitel in dynamisierter Form zu verlangen.
Der Beklagte beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Nach herrschender Rechtsprechung bestehe in dem Falle, daß der volle Unterhalt eingeklagt wird, obwohl ein Teil regelmäßig bezahlt wird, und der Unterhaltsverpflichtete vorher nicht zur außergerichtlichen Titulierung aufgefordert wurde, keine Veranlassung für eine Klage über den vollen Unterhaltsbetrag. Der Beklagte habe schließlich auch sofort, da im Termin zur mündlichen Verhandlung, anerkannt.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Klägerinnen hat sachlich keinen Erfolg. Der Beklagte hat durch sein Anerkenntnis in dem frühen ersten Termin nach Antragstellung durch die Klägerinnen im Sinne des § 93 ZPO nach steter Rechtsprechung „sofort” anerkannt. „Sofort” bedeutet grundsätzlich bei einer Verhandlung mit frühem ersten Termin das Anerkenntnis in der anberaumten ersten mündlichen Verhandlung und zwar nach Antragstellung durch die Klägerinnen (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 93, Rd. Nr. 9, Zöller, ZPO, 21. Auflage, § 93, Rd. Nr. 4). Damit ist eine andere vorangehende schriftsätzliche Antragstellung unschädlich.
Der Beklagte hat auch keine Veranlassung im Sinne des § 93 ZPO zur Erhebung der Klage über den unstrittigen und regelmäßig bezahlten Sockelbetrag gegeben.
Von der Frage der Veranlassung zur Erhebung der Klage im Sinne des § 93 ZPO ist die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Klage über die Erhebung des Gesamtbetrags zu unterscheiden. Der Bundesgerichtshof hat sich in der Entscheidung FamRZ 1998, S. 1165, nur mit der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Titulierung befaßt.
Zum Einklagen des vollen Betrags steht trotz dieses grundsätzlichen Rechtsschutzbedürfnisses nicht immer Veranlassung im Sinne des § 93 ZPO. Der freiwillig und regelmäßig den Sockelbetrag bezahlende Beklagte trüge ein unverhältnismäßig hohe...