Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung von sog. Dash-Cam-Aufzeichnungen zur Beweisführung über Verkehrsunfälle ist im Zivilprozess zulässig. Dies gilt jedenfalls für im Fahrzeug auf dem Armaturenbrett fest installierte Kameras, die in Fahrtrichtung, also nach vorne, ausgerichtet sind und bei Autobahnfahrten betrieben werden. Persönlichkeitsrechte des Unfallgegners sind durch diese Art von Aufzeichnungen, auf welchen konkrete Personen typischerweise nicht zu erkennen sind, üblicherweise in so geringem Ausmaß betroffen, dass bei der gebotenen Abwägung zwischen beeinträchtigten Persönlichkeitsrechten einerseits und dem Anspruch auf rechtliches Gehör sowie dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes andererseits letztere regelmäßig überwiegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn andere zuverlässige Beweismittel im konkreten Fall nicht zur Verfügung stehen.
Bei der genannten Abwägung sind nur diejenigen Aufzeichnungsteile heranzuziehen, deren Verwertung konkret im Raum steht. Es kommt nicht darauf an, welche Aufzeichnungen mit der Dash-Cam ansonsten bei anderer Gelegenheit gefertigt wurden.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 28.03.2017; Aktenzeichen 4 O 1200/16) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 28. März 2017, Az: 4 O 1200/16 (2) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall auf einer Autobahn.
Der Kläger fuhr am 18. März 2016 mit dem in seinem Eigentum stehenden Pkw, Toyota, Typ
RAV, a.K. ..., auf der BAB A 5, Kilometer 626 Nord, auf Höhe Karlsruhe Mitte. Hinter dem
klägerischen Fahrzeug fuhr der Beklagte zu 2) mit einem Lkw, DAF, a. K. ..., dessen Halte-
rin die Beklagte zu 1) war. Der Lkw der Beklagten zu 1) fuhr dem klägerischen Fahrzeug heckseitig links auf, wodurch das klägerische Fahrzeug beschädigt wurde. Im Fahrzeug des Beklagten befand sich eine sog. Dashcam, mit der das Unfallgeschehen aufgezeichnet wurde.
Der Kläger hat in erster Instanz Schadensersatz in Höhe von 14.941,77 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat behauptet, er sei bereits geraume Zeit auf der rechten Fahrspur der Autobahn gefahren, als er "verkehrsbedingt seine Geschwindigkeit reduzieren" habe müssen, wobei er "aber keinesfalls abrupt und auch nicht bis zum Stillstand" abgebremst habe. Er wisse nicht, "was der Grund für das Abbremsen der Vorderleute des Klägers" gewesen sei. Der Beklagte zu 2) sei "alleinschuldhaft" dem klägerischen Fahrzeug "aufgrund von Unaufmerksamkeit und/oder überhöhter, nicht angepasster Geschwindigkeit sowie insbesondere aufgrund von nicht eingehaltenem Sicherheitsabstand" heckseitig aufgefahren. Für das alleinige Verschulden des Beklagten zu 2) an dem Unfallgeschehen spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins. Deshalb habe der Kläger Anspruch darauf, dass ihm sein Schaden zu 100 % von den Beklagten ersetzt werde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von den Beklagten als Beweismittel angebotene Aufzeichnung der im Beklagten-Lkw installierten Dashcam sei nicht verwertbar. Wegen des mit der Dashcam verbundenen "unkonkreten, unspezifischen und permanenten, willkürlichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der aufgenommenen Personen" würden "die schüt-zenswerten Interessen des Klägers im konkreten Fall überwiegen". Eine Beweisaufnahme dazu, dass die Kamera nur bei taktiler Erschütterung die aufgenommenen Sequenzen endgültig speichert, habe zu unterbleiben.
Die Beklagten haben in erster Instanz vorgetragen, der Kläger habe kurze Zeit vor dem Unfall den Lastwagen der Beklagten zu 1) überholt und sei dann von der äußerst linken Spur über die mittlere auf die ganz rechte Spur gewechselt. Sodann habe er abrupt bis zum Stillstand abgebremst. Der Unfall sei für den Beklagten zu 2) unvermeidbar gewesen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Dashcam-Aufzeichnung sei verwertbar. Die Kamera zeichne auch nicht permanent, sondern nur anlassbezogen auf.
Das Landgericht hat eine Beweisaufnahme durchgeführt. Neben einer Zeugenvernehmung zur Frage des Aufzeichnens und Speicherns der Dashcam hat das Landgericht ein mündlich erstattetes unfallanalytisches Sachverständigengutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) H. R. zur Rekonstruktion des Unfalls eingeholt. Im Zusammenhang damit wurden auch die vom Sachverständigen ausgedruckten Lichtbilder aus der Dashcam-Aufzeichnung in Augenschein genommen. Das Landgericht hatte den Sachverständigen gebeten, im Rahmen der Gutachtenserstattung alternativ darzustellen, mit welchem Ergebnis der Unfall einerseits ohne und a...