Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung von Privatgeheimnissen. Antrag des Anzeigeerstatters Rechtsanwalt … auf gerichtliche Entscheidung gem. § 172 Abs. 2 StPO

 

Verfahrensgang

GenStA Nürnberg (Aktenzeichen Zs 1190/00)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.12.2001; Aktenzeichen 2 BvR 152/01)

 

Tenor

Der Antrag des Anzeigeerstatters … von 1. November 2000 auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Der Antrag des Anzeigeerstatters … vom 01.11.2000 auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren richtet sich gegen den ablehnenden Bescheid des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 20.10.2000, durch den der Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 24.08.2000 keine Folge gegeben wurde.

Der statthafte Antrag auf gerichtliche Entscheidung war im Ergebnis als unbegründet zu verwerfen, da auch unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens nach Überzeugung des Senats gegen die Verantwortlichen … kein strafprozessual beweisbarer hinreichender Verdacht einer strafbaren Handlung der Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 StGB besteht und damit kein Anlaß zur Erhebung einer öffentlichen Klage gegeben ist.

Hinreichender Tatverdacht i.S.d. § 170 Abs. 1 StPO liegt vor, wenn aufgrund einer vorläufigen prognostischen Bewertung des Ergebnisses des vorbereitenden Verfahrens, also der gesamten in den Akten dokumentierten Ermittlungen eine Verurteilung der Beschuldigten nach Durchführung der Hauptverhandlung wahrscheinlich ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 170 Rn. 2). Für eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes „im Zweifel für den Angeklagten” ist bei dieser Wahrscheinlichkeitsbeurteilung zwar (noch) kein Raum. Der genannte Grundsatz ist jedoch mittelbar auch hier von Bedeutung, weil nach dem Sinn des § 170 Abs. 2 StPO freispruchreife Verfahren vom Hauptverfahren fernzuhalten sind. Somit muß auch im Ermittlungsverfahren (i.S.d. § 203 StPO) wahrscheinlich sein, daß mit den Beweismitteln und den Erkenntnismöglichkeiten in der Hauptverhandlung eine Verurteilung erfolgen kann. § 170 StPO stellt also auf eine Verurteilungswahrscheinlichkeit ab. Demgemäß kann der hinreichende Tatverdacht bzw. der genügende Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage mit der Begründung verneint werden, daß nach Aktenlage bei den vorhandenen Beweismöglichkeiten das Gericht am Ende einer Hauptverhandlung höchstwahrscheinlich nach dem „Zweifelssatz” zu einem Freispruch gelangen werde.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß ein hinreichender Tatverdacht für eine Verletzung von Privatgeheimnissen durch die Verantwortlichen der Versicherung zum Nachteil des Anzeigeerstatters als verletzten nicht besteht.

Der Anzeigeerstatter (AE) legt in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 01.11.2000 den Beschuldigten zur Last, diese hätten die Tatsache von Prämienrückständen, die zu seinem persönlichen Lebensbereich gehören, seinen Zessionaren unbefugt offenbart und sich dadurch der Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB strafbar gemacht.

Zunächst ist festzustellen, daß Geheimnisse i.S.d. vorgenannten Vorschrift nur solche Tatsachen sind, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. Tröndle/Fischer, 49. Aufl., StGB, § 203 Rn. 2). Der Begriff des Geheimnisses ist im umfassenden Sinn zu verstehen. Dem Geheimnisschutz unterstehen dabei auch wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse einer Person, insbesondere die Zahlungsunfähigkeit eines Versicherungsnehmers. Ob die Mitteilung eines bloßen Beitragsrückstands eines Versicherungsnehmers, der – wie hier – auch auf anderen Gründen als einer schlechten finanziellen Situation beruhen kann, dazu gehört, mag offen bleiben.

Offenbaren des Geheimnisses bedeutet in diesem Sinn die Bekanntgabe an eine nicht zum wissen berufene Person, die von dem Geheimnis noch keine Kenntnis besitzt. Der Tatbestand des § 203 StGB ist mithin weit gefaßt, aber nicht uferlos. Nur die Unterrichtung von Personen, die nicht zum Kreis der zum Wissen berufenen Personen zählen, erfüllt den Tatbestand des § 203 StGB. Innerhalb dieses Kreises fehlt es bereits an einem tatbestandsmäßigen Offenbaren. Die Weitergabe des Geheimnisses innerhalb dieses Kreises bedarf keiner rechtfertigenden Einwilligung.

Bezogen auf das gegenständige Versicherungsverhältnis ist einerseits festzustellen, daß im allgemeinen keine Verpflichtung des Versicherers besteht, den Bezugsberechtigten oder den Abtretungsempfänger von einem Beitragsrückstand des Versicherungsnehmers zu unterrichten und Sondervorschriften, die solche Mitteilungspflichten in bestimmten Fällen anordnen, können nicht auf andere Sachverhalte übertragen werden. Andererseits kann – im Regelfall – eine Auskunftspflicht des Versicherers, der eine Abtretungsbestätigung erteilt hat, auf Prämienrückstände nach Treu und...

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