Leitsatz (amtlich)
1.
Die Gutachten zweier Sachverständiger sind unabhängig voneinander zu erholen; der Gutachtensauftrag bedarf bezogen auf die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayStrUBG konkreter Fassung.
2.
Keine Unterbringungsanordnung nach Art. 1 Abs. 1 BayStrUBG bei seit Verurteilung unverändert fortbestehender hoher Gefährlichkeit des Straftäters.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 28.01.2003; Aktenzeichen I StVK 51/2002) |
Tenor
I.
Auf die sofortige Beschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.01.2003 aufgehoben.
II.
Der Antrag der Justizvollzugsanstalt vom 02.08.2002, den Strafgefangenen gemäß dem Bayerischen Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern nach Verbüßung der Strafe in einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen, wird abgelehnt.
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgeführenfrei.
Die Staatskasse hat die dem Strafgefangenen im Antrags- und Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Wurde mit seit 11. 06. 1997 rechtskräftigem Urteil der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03. 06. 1997 - 13 KLs 952 Js 164523/96 - wegen einer am 11. 09. 1996 begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr, einer am 24. 09. 1996 gegen 23. 00 Uhr begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung und einer nur wenige Minuten danach begangenen gefährlichen Körperverletzung mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder eine solche in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat die Strafkammer nicht angeordnet und hierzu u. a. ausgeführt:
"Der Angeklagte erfüllt zwar grundsätzlich die Voraussetzungen des § 64 StGB. Er hat den Hang, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten aufgrund dieses Hanges begehen. . . . Eine Unterbringung nach § 64 StGB ist dennoch ausgeschlossen, weil die Therapie von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 64 Abs. 2 StGB). Der durch seine tägliche Arbeit mit Alkoholikern in einer Entziehungsanstalt mit der Problematik bestens vertraute Sachverständige hat angegeben, in seiner langjährigen beruflichen Praxis noch nie einen Fall gesehen zu haben, bei dem so wenig Ansatzpunkte für eine Therapie bestanden hätten, wie beim Angeklagten . . . Eine Unterbringung nach § 63 StGB ist deshalb nicht auszusprechen, weil der Angeklagte neben seiner Alkoholsucht an keiner von § 63 StGB erfaßten Krankheit leidet.
Der Gutachter beschrieb den Angeklagten als sog. "dissoziale Persönlichkeit", eine Persönlichkeit also, die durch Gefühlskälte, Kontaktarmut, eine deutliche Verantwortungslosigkeit und Mißachtung sozialen Normen gegenüber sowie einer geringen Frustrationstoleranz gekennzeichnet sei. Diese Persönlichkeitsstörung habe für sich, wie der Gutachter ausdrücklich betonte, keinen Krankheitswert. . . . "
Mit Schreiben vom 02. 08. 2002 beantragte die JVA gegen den Strafgefangenen, der hier Freiheitsstrafen bis zum 21. 02. 2003 verbüßt, eine Unterbringung nach dem Bayerischen Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern anzuordnen. Der Betroffene habe im Strafvollzug beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugszieles verweigert, was insbesondere durch sein schlechtes vollzügliches Verhalten zum Ausdruck komme. Hierzu führte die JVA acht Disziplinarmaßnahmen an. Ferner habe er an einer rückfallvermeidenden Psycho- oder Sozialtherapie, die im Hinblick auf seine Alkoholsucht und seine dissoziale Persönlichkeit angezeigt gewesen wäre, nicht teilgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Antrags, der in der angefochtenen Entscheidung wörtlich wiedergegeben worden ist, und der ergänzenden Begründung vom 21. 11. 2002 wird auf die Akten verwiesen.
Mit Beschluß vom 28. 01. 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth die unbefristete Unterbringung des Betroffenen in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet und bestimmt, daß vor Ablauf eines Jahres ab Beginn der Unterbringung ein Antrag des Betroffenen auf Prüfung, ob die weitere Vollziehung der Unterbringung erforderlich ist, unzulässig ist.
Gegen diesen Beschluß hat der Beistand des Strafgefangenen mit dem beim Landgericht am 04. 02. 2003 eingegangenen Schriftsatz vom 30. 01. 2003 sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Strafgefangenen (Art. 3 Abs. 4 Satz 2; Abs. 2 BayStrUBG i. V. m. §§ 306, 311, 35 Abs. 1 StPO) ist begründet.
Nach Art. 1 Abs. 1 BayStrUBG kann das Gericht gegen einen Strafgefangenen, der in einer Justizvollzugsanstalt des Freistaates Bayern unter den Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 des Strafgesetzbuchs eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt, die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt anordnen, wenn aufgrund von Tatsachen, die nach der Verurt...