Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung des Vorsitzenden, im Rahmen einer Telekommunikations-überwachung aufgezeichnete Daten an die Verteidiger der Angeklagten herauszugeben, unterliegt gemäß § 305 Satz 2 StPO der Überprüfung im Beschwerdeverfahren.
2. Bei Tonaufzeichnungen aufgrund einer Telekommunikationsüberwachung handelt es sich um Augenscheinobjekte, die als Beweisstücke nach § 147 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 StPO grundsätzlich nur am Ort ihrer amtlichen Verwahrung besichtigt bzw. bei Tonaufzeichnungen angehört werden können.
3. § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO gibt nicht nur keinen Anspruch des Verteidigers auf Herausgabe von Tonaufzeichnungen aufgrund einer Telekommunikations-überwachung sondern beinhaltet ein grundsätzliches Verbot der Herausgabe.
Normenkette
StPO §§ 100b, 147 Abs. 4; GG Art. 10 Abs. 1; StPO § 147 Abs. 1, § 305 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 03.12.2014; Aktenzeichen 3 KLs 504 Js 404/14) |
Tenor
- Es wird festgestellt, dass die Verfügung der Vorsitzenden der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.12.2014 rechtswidrig war.
- Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
In dem gegen die Angeklagten vor der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth geführten Verfahren u.a. wegen gewerbsmäßigen Schmuggels hat die Vorsitzende während der Hauptverhandlung mit Verfügung vom 03.12.2014 angeordnet, dass den Verteidigern der Angeklagten jeweils 2 CDs mit Kopien der Daten aus der Telekommunikationsüberwachung (Telefongespräche und andere Verbindungsdaten) betreffend den Komplex "TKÜ G." und jeweils fünf CDs mit derartigen Daten betreffend den Komplex "TKÜ L." auszuhändigen sind. Dafür mussten die Verteidiger schriftlich erklären, dass sie die Daten nicht über das zur Verteidigung erforderliche Maß hinaus vervielfältigen, außer an den Mandanten und dessen weitere Verteidiger nicht weitergeben und dass die Datenträger nach Abschluss des Verfahrens an das Landgericht zurückgegeben werden. Den Verteidigern wurden im Anschluss jeweils sieben CDs ausgehändigt.
In derselben Verfügung kündigte die Vorsitzende an, dass die Daten aus den Telekommunikationsüberwachungen betreffend den Komplex "TKÜ N." auf USB-Sticks kopiert und ebenfalls an die Verteidiger übergeben werden sollen. Von einer Übergabe der USB-Sticks hat die Vorsitzende im Hinblick auf die vorliegende Beschwerde zunächst abgesehen.
Gegen die Verfügung der Vorsitzenden hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 16.12.2014 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,
festzustellen, dass die Anordnung der Herausgabe der CDs mit den Kopien der Telekommunikationsdaten durch die Vorsitzende und die Übergabe der CDs an die Verteidiger rechtswidrig waren. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, die Beschwerde sei zulässig, insbesondere werde das Beschwerderecht durch § 305 StPO nicht eingeschränkt. Zum einen stehe die Entscheidung über die Herausgabe der Datensätze nicht in einem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung und könne nicht im Rahmen des gegen das Urteil möglichen Rechtsmittels überprüft werden. Zum anderen seien durch die Herausgabe die Grundrechte der Gesprächspartner betroffen, die am Strafverfahren nicht beteiligt seien. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der drohenden Herausgabe der Daten betreffend die "TKÜ N." und dem damit verbundenen Eingriff in die Grundrechte der am Verfahren nicht beteiligten Gesprächspartner. Bereits durch die Aufzeichnung der Telefongespräche werde in das Grundrecht der unbeteiligten Dritten (Art. 10 Abs. 1 GG) eingegriffen. Der Eingriff werde durch eine Herausgabe der Daten noch vertieft. Bei den Daten der Telekommukationsüberwachung handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 11.02.2014, 1 StR 355/13) um Augenscheinsobjekte, die als Beweisstücke nach § 147 Abs. 4, 1 StPO grundsätzlich nur am Ort ihrer amtlichen Verwahrung angehört werden können. Nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen könne sich zur Gewährleistung einer angemessenen Verteidigung und eines fairen Verfahrens sowie zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung ein derartiger Anspruch ergeben, was vorliegend aber nicht der Fall sei. Zudem könne die Staatsanwaltschaft nach der Herausgabe und der Möglichkeit des Kopierens der Daten nicht mehr verlässlich ihrer grundrechtssichernden Pflicht zur Datenlöschung nach § 101 Abs. 8 StPO nachkommen.
Die Vorsitzende der Strafkammer hat der Beschwerde mit Verfügung vom 22.12.2014 nicht abgeholfen. Sie ist der Ansicht, dass den Verteidigern bekannt sei, dass sie nach Abschluss des Verfahrens zur Rückgabe der zur Verfügung gestellten Datenträger und sämtlicher angefertigter Kopien verpflichtet sind und dass diese Verpflichtung auch Datenträger betreffe, die an ihre Mandanten weitergegeben worden seien. Aufgrund des großen Umfangs der aufgezeichneten Gespräche, die zu einem beträchtlichen Teil nicht in deutscher Sprache geführt worden seien, und der...