Leitsatz (amtlich)
1. Weisungen gemäß § 68b StGB dürfen nur dann nach § 68d StGB nachträglich geändert oder ergänzt werden, wenn sich nach dem Beginn der Führungsaufsicht die tatsächlichen Umstände oder der Kenntnisstand des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht geändert haben.
2. Bei einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, nach der auch ein kurzfristiges Verlassen des Wohnortes der Zustimmung der zuständigen Führungsaufsichtsstelle bedarf, kann auch der Umstand berücksichtigt werden, dass sich anderenfalls hinsichtlich der elektronischen Überwachung des Aufenthalts des Verurteilten erhebliche praktische Probleme ergeben würden.
3. Eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit bezüglich schwerer Sexualstraftaten im Sinne der §§ 66 Abs. 3 Satz 1, 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 Nr. 3 StGB (elektronische Überwachung des Aufenthalts) lässt sich auch dann nicht ausschließen, wenn der Verurteilte nach der Haftentlassung längere Zeit straffrei gelebt hat; insbesondere nimmt die Störung einer Sexualpräferenz im Zusammenhang mit Maßnahmen wie Verhaftung und Maßregelvollzug quantitativ und qualitativ ab und begründet erst mit Nachlassen der formellen Kontrolle wieder ein erhöhtes Rückfallrisiko.
4. Die elektronische Überwachung des Aufenthalts ist auch bei Beziehungstaten im nichtöffentlichen Raum erforderlich und geeignet im Sinne von § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB, da zum einen dem Täter bewusst ist, dass sein Aufenthalt zur Tatzeit am Tatort nachvollzogen werden kann, und da zum anderen Straftaten nach einem unbemerkt gebliebenen anderweitigen Beziehungsaufbau verhindert werden können.
5. Im Rahmen des § 68b Abs. 3 StGB ist eine Gesamtabwägung erforderlich, bei der vorrangig einzubeziehen ist, dass der Verurteilte schwerste Straftaten begangen hat, dass wegen seiner bisherigen Therapieverweigerung nach wie vor eine hochgradige Gefahr der Beeinträchtigung hochrangiger Schutzgüter besteht und dass dieser Gefahr nur durch eine möglichst engmaschige Kontrolle begegnet werden kann.
Normenkette
StGB § 66 Abs. 3 S. 1; StPO § 453 Abs. 2, § 463 Abs. 2; StGB § 68b Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 12, S. 3 Nr. 3, Abs. 2-3, § 68d
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 30.05.2012; Aktenzeichen StVK 444/05) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Verurteilten M... S... vom 01.06.2012 wird Ziffer 1.f) des Beschlusses der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 30.05.2012 aufgehoben.
II.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
III.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 01.06.2012 und 26.02.2013 werden zurückgewiesen.
IV.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 08.05.2002 (Az. 8 KLs 245 Js 227194/00), rechtskräftig seit 20.12.2002, hat das Landgericht München I den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in einem Fall rechtlich zusammentreffend mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit vorsätzlicher Körperverletzung, und vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Diese Strafe hat er bis zum 16.06.2011 vollständig verbüßt.
Mit Beschluss vom 11.03.2011 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing angeordnet, dass der Verurteilte der unbefristeten Führungsaufsicht untersteht, ihn für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm verschiedene Weisungen erteilt.
Die erteilten Weisungen hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing mit ihren Beschlüssen vom 24.05.2011 und vom 22.07.2011 erweitert.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat bereits mit Beschlüssen vom 12.08.2011, vom 28.09.2011 und vom 11.01.2012 Beschwerden des Verurteilten gegen die Beschlüsse der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 11.03.2011, vom 24.05.2011 und vom 22.07.2011 als unbegründet verworfen (Az.: 2 Ws 304/11, 2 Ws 440/11 und 2 Ws 652/12).
Am 10.02.2012 hat die Staatsanwaltschaft München I eine Fallkonferenz einberufen, die am 01.03.2012 unter Beteiligung von Staatsanwaltschaft, Führungsaufsichtsstelle, Justizvollzugsanstalt, Bewährungshilfe, Zentralstelle HEADS und Polizeipräsidium stattgefunden hat.
Mit Schreiben vom 21.03.2012 hat die Staatsanwaltschaft München I bei der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing die Erteilung ergänzender Weisungen beantragt,
insbesondere entsprechend der Empfehlung der Fallkonferenz die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung gemäß § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB.
Mit Beschluss vom 30.05.2012 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing unter (teilweiser) Aufhebung der Führungsaufsichtsbeschlüsse vom 11.03.2011, 24.05.2011 und 22.07.2011 unter Ergänzung der Weisu...